Nasses Wetter, kühlere Temperaturen, weniger Tageslicht: Der Herbst schlägt bei vielen Menschen auf die Stimmung. Wer dann zu bestimmten Lebensmitteln greift, kann seiner Laune etwas auf die Sprünge helfen. Andreas Jopp, Medizinjournalist und Autor von "Happy Food statt Burnout", verrät im Interview, inwiefern Ernährung die Stressanfälligkeit und Psyche beeinflusst und auf welche Lebensmittel wir gegen den Herbstblues setzen sollten.
Können wir uns tatsächlich glücklicher und psychisch stabiler essen, wie Sie in Ihrem neuen Buch schreiben?
Andreas Jopp: Süßes und Fettes gibt kurzfristig unserer Stimmung einen Kick über belohnende Botenstoffe. Die Lebensmittelkonzerne manipulieren uns damit. Leider sind es aber genau diese beiden Stoffe in hochverarbeitenden Lebensmitteln, die nach kurzer Zeit die Stimmungswerte immer mehr abfallen lassen, da sie entzündlich auf das Gehirn wirken. Entzündungen sind Auslöser für Stimmungsschwankungen und greifen die feinen Neuronen im Gehirn an. Unser Gehirn reagiert sehr dynamisch auf Ernährung.
Biostoffe aus guter Ernährung und gute Fette stimulieren dagegen Wachstumsfaktoren, die das Stresszentrum im Gehirn - den Hippocampus - immer wieder sanieren und aufbauen. Das führt zu seiner stabileren Stimmung und mehr Stressresistenz. Die meisten Menschen glauben, ihr Gehirn und ihre Psyche funktionieren irgendwie unabhängig von dem, was wir essen. Tatsächlich ist die Gehirnfunktion schneller noch als andere Organe von guter oder schlechter Ernährung betroffen. Das Risiko für Depressionen steigt um 35 Prozent, wenn wir viele hochverarbeitete Lebensmittel essen. Und, die Depressionen sind ja nur die Spitze des Eisbergs. Lange davor haben wir Stimmungsschwankungen und spüren denselben Stress immer stärker. Inzwischen machen ultra-verarbeitete Lebensmittel 56 Prozent der Ernährung aller Deutschen aus. Das hat fatale Folgen für Psyche.
Wie sähe die optimale Glücks-Ernährung aus?
Jopp: Am besten so viele Pflanzenstoffe wie möglich. Das bringt die Entzündungswerte runter, es stimuliert am meisten das BDNF -den wichtigsten Wachstumsfaktor für neues Gehirnwachstum und es füttert Milliarden von Darmbakterien. Diese verwerten nur Pflanzenstoffe. Im Gegenzug produzieren sie dann Unmengen antientzündlicher Botenstoffe und Psychomoleküle für uns. Heute weiß man, wie eng Stimmung, Gehirnleistung und Gehirnabbau mit unseren bakteriellen Mitbewohnern - dem Mikrobiom - zusammenhängen.
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Gibt es Superfoods unter den Biostoffen?
Smart einkaufen ist wichtig. In einer Handvoll dunkler Beeren sind zehnmal so viele Antioxidantien fürs Gehirn enthalten wie in einer hellen Banane. In tiefgrünem Rucola fünfmal so viele wie in einem Eisbergsalat. Smart bedeutet, möglichst dunkelbunt einzukaufen. Essen Sie täglich Beeren (Himbeeren, Heidelbeeren, Brombeeren), regelmäßig dunkle Salate, Brokkoli und dunkle Kohlsorten. Trinken Sie öfters selbstgemachte grüne Smoothies. Die roten und grünen Pigmente schützen das Gehirn und binden dort die schädlichen freien Radikale. Freie Radikale wirken entzündlich und sind Mitverursacher von Depressionen. Das zeigt eine neue Analyse über 18 Studien.
Essen Sie außerdem viele Flavonoide. Diese Pflanzenstoffe führen nachweislich zur starken Ausschüttung des Wachstumsfaktors BDNF. Der saniert das Gehirn. Flavonoid-reich sind Zitrusfrüchte, Kurkuma, Nüsse, dunkle Beeren-, Obst- und Gemüsesorten und Kakao. Kurkuma ist dabei ein besonderes Superfood: Es stimuliert nicht nur das BDNF, sondern wirkt so stark antientzündlich wie es sonst nur starke Medikamente fertigbringen. Eine neue Studienauswertung über zehn Studien bestätigt die antidepressive Wirkung von Kurkuma.
Ab dem Herbst ist außerdem zusätzliches Vitamin-D wichtig. Das hält die Stimmung stabil. Niedrige Vitamin-D-Werte machen anfällig für Stimmungsschwankungen.
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Welche Lebensmittel sind dagegen Stimmungskiller?
Viele gesättigte Fette zu essen, fährt die Entzündungswerte hoch, und lässt das BDNF in kurzer Zeit um 38 Prozent absacken. Das verändert das Gehirn. Durch die Entzündungen schnellt das Depressionsrisiko um 40 Prozent hoch. Zu viel fettes Fleisch, Wurst, Käse, fette Milchprodukte - sie alle ruinieren Ihre Gehirngesundheit.
Zweiter Stimmungskiller sind die hochverarbeiteten Lebensmittel: zu süß, zu fettig, zu viele Kalorien, zu wenig Biostoffe, zu wenige Ballaststoffe für die Bakterienfabrik im Darm.
Können wir denn auch sehr schlechte Stimmungswerte, etwa Depressionen verbessern?
Schwere Depressionen sind quasi der Härtetest, ob gute Ernährung funktioniert. Das neue Forschungsfeld der "Nutritional Psychiatry" zeigt, dass schwere Depressionen sich mit biostoffreicher Ernährung um ein Vielfaches erfolgreicher behandeln lassen als durch Antidepressiva oder Psychotherapie allein. Antidepressiva liegen nach neusten Auswertungen kaum über dem Placebo-Effekt und wirken bei den meisten Patienten überhaupt nicht.
Biostoffe sanieren dagegen wichtige Teile des Gehirns und das wirkt sich auf die Psyche aus. Damit wird der biologische Anteil von Stimmungsschwankungen verändert. Mit Psychotherapie konzentriert man sich dann auf die wirklichen Probleme. Ernährungsveränderung findet sich daher inzwischen als erste therapeutische Maßnahme in den offiziellen klinischen Behandlungsrichtlinien für Depressionen in Australien und Neuseeland. Darüber sollten viel mehr Betroffene informiert werden.
Wie könnte man das alles in einem merkfähigen Ernährungs-Tipp zusammenfassen?
Greifen Sie zur traditionellen, mediterranen Ernährung. Sie enthält gute Fette und viele Biostoffe. Ein Salat vorneweg, viel Gemüse und Hülsenfrüchte, eine Handvoll Nüsse, viele Kräuter, gute Öle, etwas Fisch und kaum Fleisch - So halten Sie Ihr Gehirn gesund, und die Psyche stabil. Die mediterrane Ernährung senkte nachweislich in vielen Studien die Entzündungswerte, verfügt über gute Biostoffe für die Bakterienfabrik, und man findet die wenigsten Depressionen, wie eine Auswertung von 26 Studien zeigt. Biostoffe sanieren das Gehirn und arbeiten auf vielen Ebenen gleichzeitig. Gerade in trüben Herbst- und Wintertagen ist das besonders wichtig. Das Glück liegt also direkt auf Ihrer Gabel.