Straffe Haut, glänzendes Haar: Beauty-Industrie und Dermatologen setzen vermehrt auf Östrogene und andere Hormone. Was man darüber wissen sollte.
Hormone sind der Ursprung unserer Weiblichkeit, trotzdem assoziiert man mit dem Begriff nicht unbedingt Gutes. Dabei verschreiben immer mehr Ärzte Hormontherapien nicht nur gegen Beschwerden in den Wechseljahren, sondern auch als Beauty-Kur auf Rezept, und die Kosmetikindustrie reichert neue Pflegeprodukte mit Phytohormonen an. Gefährlich, nützlich oder nutzlos? Ein kritisches Update:
Hormone sind in erster Linie körpereigene Kommunikationsexperten, die den gesamten Stoffwechsel managen und großen Einfluss auf Haut, Haare, Körper und Psyche haben. Schon ein kleiner Mangel oder ein winziger Überschuss genügen, um das fragile System durcheinanderzubringen, was zu trockener Haut, Falten, Unreinheiten, Cellulite oder Haarausfall führen kann, ja sogar krank machen kann. Fünf Top-Agenten stehen im Dienst weiblicher Schönheit: Östrogene hemmen den Abbau von Kollagen im Bindegewebe und sorgen für eine gute Durchfeuchtung der Haut, nebenbei regen sie auch das Haarwachstum an. Das Gelbkörperhormon Progesteron schützt durch seine gefäßstärkende Wirkung vor Couperose, Besenreisern und Krampfadern.
Gegenspieler der Östrogene sind Androgene, also Männlichkeitshormone, die auch im weiblichen Körper kreisen und sich positiv auf die Dicke und Festigkeit der Haut auswirken und gegen Cellulite helfen. Wie ein Bodyshaper wirkt das Wachstumshormon HGH, das der Körper verstärkt zwischen Mitternacht und zwei Uhr morgens ausschüttet. „Es baut Muskeln auf und schmilzt Fett ein“, erklärt Professor Christoph M. Bamberger, Direktor des Medizinischen Präventions Centrums Hamburg. Zu guter Letzt nützt das Schlafhormon Melatonin dem gesamten Zellapparat bei der nächtlichen Regeneration. Dieses System funktioniert bis ca. 40 perfekt, dann sinkt der Spiegel sämtlicher Beauty-Hormone. Mit Cremes, Pflastern, Injektionen oder Pillen lassen sie sich – teilweise – ersetzen.
Cremes aus der Drogerie oder der Parfümerie dürfen laut Gesetz nur auf der Oberfläche wirken und der sogenannten extrinsischen Hautalterung, die durch Sonnenlicht und Umwelteinflüsse verursacht wird, vorbeugen. Hormonkosmetik dagegen zielt vorwiegend auf die hormonbedingte intrinsische Hautalterung ab, wird vom Arzt „maßgeschneidert“ für die jeweiligen Hautprobleme verschrieben und vom Apotheker angemischt. Der Berliner Anti-Aging-Spezialist Dr. Michael Schmidt-Kulbe erklärt:
„Wichtig ist, Hormone zu wählen, die nicht gleich den ganzen Körper beeinflussen“
Als Wirkstoff in Cremes steckt zum Beispiel Östriol, das die Bildung von Hyaluronsäure und Kollagen fördert, ohne dabei Nebenwirkungen wie Gebärmutterblutungen zu provozieren wie das verwandte Östradiol.
Viele Pflanzen wie Soja, Rotklee, Shiitakepilze oder Hopfen enthalten Phytohormone. In der Pflanze sind sie als Signalgeber für Wachstum zuständig, wirken aber auch als Botenstoffe in unserem Körper. „Pflanzliche Hormone in Kosmetik können die Hautqualität durchaus verbessern“, sagt Professor Bamberger. Schluckt man Kapseln mit Phytohormonen aber zum Schutz vor Brustkrebs oder gegen Hitzewallungen, streiten die Forscher. Weniger Wechseljahrsbeschwerden und die deutlich geringere Brustkrebsrate von Japanerinnen wurden bislang ihrer sojareichen Ernährung zugeschrieben. Eine Studie der Uni Würzburg hat jetzt aber ergeben, dass dieser Schutz nur greift, wenn man bereits in der Kindheit und Jugend, in der sich das Brustgewebe ausbildet, viele Isoflavone zu sich nimmt. Nach der Pubertät scheint eine sojareiche Ernährung diesen Effekt nicht mehr zu haben.
„Zu rein kosmetischen Zwecken würde ich keine Hormone verordnen, das kann nur ein positiver Mitnahmeeffekt sein“, findet Professor Bamberger. Wenn Hitzewallungen, Schweißausbrüche, Stimmungsschwankungen oder Osteoporose die Lebensqualität stark beeinflussen, sind Hormone eine Möglichkeit, die nebenbei eben auch optischen Alterserscheinungen entgegenwirkt. Andere Ärzte sind da großzügiger und verschreiben ein Östrogen-Gel gegen Fältchen im Gesicht ohne große Bedenken. Letztlich muss das jede Frau selbst für sich entscheiden.
In Lebensphasen, in denen die Botenstoffe Karussell im Körper fahren, wie Schwangerschaft oder Wechseljahre, fällt der Östrogenspiegel so weit ab, dass die männlichen Hormone das Ruder übernehmen und Pickel oder Haarausfall begünstigen. Bei Frauen über 40 können Progesteron oder Spironolacton die negative Wirkung der männlichen Hormone aufheben und gleichzeitig erste Wechseljahrsbeschwerden wie Spannungsgefühle in der Brust, Wassereinlagerungen oder Gewichtszunahme lindern. Auch die Antibabypille hilft mit speziellen Gestagenen gegen Pickel und Haarausfall. In letzterem Fall haben sich übrigens östrogenhaltige Lösungen bewährt, die gezielt auf die Kopfhaut aufgetragen und vom Arzt verschrieben werden müssen.
Dinner Cancelling (ab 17 Uhr bis zum nächsten Morgen keine Mahlzeit mehr) oder Kraftsport am frühen Abend führen zu einer vermehrten Bildung des Wachstumshormons HGH. Der Wiener Gynäkologe und Hormonexperte Johannes Huber verrät:
„Eine Ernährung mit wenig Kohlenhydraten hat ähnlich positive Effekte“
Um die Bildung des Schlafhormons Melatonin anzukurbeln, abends öfter mal Walnüsse knabbern. Sie sind reich an Serotonin, das der Körper in Melatonin umwandelt. Die gute Nachricht: Crash-Diäten sind ab Mitte 40 obsolet, denn der Körper benötigt jetzt Fettgewebe, in dem Testosteron zum Hautglätter Östrogen umgewandelt wird.
Natürlich nicht! Ein seriöser Arzt erstellt einen Hormonstatus, checkt genetisches Risiko sowie Vorerkrankungen und ersetzt nur die Hormone, die dem Körper fehlen, und zwar genau in der Menge, die unter Idealbedingungen in einem jüngeren Körper vorhanden wäre. Er weiß zudem, welche Anwendungsform die effektivste ist. Das Wachstumshormon HGH wirkt zum Beispiel nur, wenn es injiziert wird. Über das Internet frei verkäufliche Kapseln, Nasen- oder Mundsprays mit dem Wirkstoff haben keinen oder nur einen sehr schwachen Effekt.