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Weltfrauentag 2025: Rückschritt statt Fortschritt?

Bild zum Internationalen Frauentag mit erhobenen Händen | © Getty Images / Nitas
Der 8te März ist Feministischer Kampftag
© Getty Images / Nitas

Der 8. März – ein Tag, der lange als Symbol des Fortschritts galt, fühlt sich in diesem Jahr bedrückender an. Die Bundestagswahl 2025 ist vorbei und rechte Narrative und antifeministische Haltungen dominieren die politische Landschaft, Errungenschaften stehen unter Beschuss. Was bedeutet das für die Zukunft der Gleichberechtigung in Deutschland?

Zwischen Kampf und Rückschritt

Seit über 100 Jahren kämpfen Feminist*innen für Gleichstellung. Fortschritte wurden gefeiert, Kämpfe gewonnen. Nicht nur cis*Frauen sind von Sexismus betroffen. Auch trans*Personen und Menschen, die sich außerhalb von binären Geschlechterkategorien bewegen oder diese ganz ablehnen, werden täglich Opfer patriarchaler Strukturen.
Der politische Rechtsruck bedeutet aber nicht nur eine rhetorische Verschärfung, sondern eine reale Bedrohung erkämpfter Rechte.  Frauenrechte sind kein Selbstläufer – sie müssen immer wieder verteidigt werden. Der Weltfrauentag bleibt daher nicht nur ein Tag des Feierns, sondern ist auch ein feministischer Kampftag.

Weltfrauentag 2025: Was steht auf dem Spiel?

Care Gap, Pay Gap, Health Gap: Lücken, die nicht verschwinden

Der Gender Pay Gap verharrt bei 18 %, der Gender Care Gap bei 43,8 %. Die Debatte um Gleichstellung wird von konservativen Stimmen als "ideologisch" diffamiert. Förderprogramme für Frauen geraten ins Visier rechter Parteien, während traditionelle Rollenbilder wieder Aufwind bekommen. Gleichzeitig drohen Kürzungen bei staatlicher Unterstützung für Alleinerziehende – eine Gruppe, die ohnehin überproportional betroffen ist.

Die Lücken massiv, das Problem strukturell: Mehr als jede zweite erwerbstätige Frau in Deutschland kann langfristig nicht allein von ihrem Einkommen leben. 53 % sind für Arbeitsunfähigkeit, Arbeitslosigkeit oder das Rentenalter nicht abgesichert. 70 % der Frauen können sich und ein Kind nicht eigenständig finanzieren. Der Gender Pension Gap liegt bei 27,1 % – Frauen erhalten im Schnitt 6.936 Euro weniger Rente pro Jahr als Männer.

Auch im Gesundheitsbereich werden Frauen systematisch benachteiligt. Der Gender Health Gap zeigt sich drastisch: Krebs wird bei Frauen im Schnitt 2,5 Jahre später diagnostiziert, Stoffwechselkrankheiten wie Diabetes sogar 4,5 Jahre später. Frauen erhalten seltener Operationen, werden bei Notfällen später behandelt und haben eine höhere Sterblichkeit nach einem Herzinfarkt. Der weibliche Körper ist in der Medizin immer noch ein Randthema - mit fatalen Folgen.

Reproduktive (Un)gerechtigkeiten

Während Frankreich letztes Jahr das Recht auf Abtreibung in die Verfassung aufgenommen hat, bleibt die Situation in Deutschland kompliziert. Obwohl das Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche 2022 abgeschafft wurde, gibt es nach wie vor erhebliche Hürden für ungewollt Schwangere.

In Deutschland ist ein Schwangerschaftsabbruch nach §218a nach wie vor illegal (auch wenn er straffrei bleibt). Dies führt zu einer weiteren Stigmatisierung und einem enormen Druck auf (ungewollt) Schwangere, die sich für einen Abbruch entscheiden.

Hinzu kommt, dass laut Statistischem Bundesamt die Zahl der medizinischen Einrichtungen, die Abbrüche durchführen, bundesweit von 2.030 (2003) auf 1.100 (2021) zurückgegangen ist.

Auch werden die Kosten eines Schwangerschaftsabbruchs nur in bestimmten Fällen von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen (z.B. bei "sozialer Bedürftigkeit" oder wenn der Abbruch aus medizinischer oder kriminologischer Sicht notwendig ist). 

Gewalt gegen Frauen: Eine Krise ohne ausreichende Maßnahmen

  • Jede dritte Frau erlebt körperliche und/oder sexualisierte Gewalt.

  • Täglich stirbt eine Frau durch ihren (Ex-)Partner.

  • 95 % aller Vergewaltigungen werden nicht angezeigt.

  • Mehr als 400 Frauen erleben täglich partnerschaftliche Gewalt. 

  • Queere Frauen und trans* Personen sind überproportional betroffen.

Gewalt gegen Frauen ist in Deutschland eine anhaltende Krise, für die es nach wie vor keine ausreichenden Maßnahmen gibt. Jede dritte Frau erlebt im Laufe ihres Lebens körperliche oder sexualisierte Gewalt, doch nur ein Bruchteil der Taten wird angezeigt – rund 95 % der Vergewaltigungen bleiben im Dunkeln.

Jeden Tag stirbt eine Frau durch die Hand ihres (Ex-)Partners, eine erschreckende Realität, die sich in den Statistiken der Femizide widerspiegelt. Besonders betroffen sind queere Frauen und trans* Personen, die nicht nur geschlechtsspezifische, sondern oft auch queerfeindliche Gewalt erleben.


Überlastete Frauenhäuser, fehlender Schutz für queere Personen

Wer aufgrund von partnerschaftlicher oder queerfeindlicher Gewalt Schutzräume benötigt, der*die ist aktuell lange auf der Suche. Unterfinanzierte Frauenhäuser, unzureichender gesetzlicher Schutz – und eine neue Regierung, die feministische Anliegen abwertet. Viele Frauen sind auf der Suche nach Schutz, doch es gibt zu wenige Plätze in Frauenhäusern, zu wenig finanzielle Mittel für Hilfsangebote. Aktuell fehlen rund 14.000 Plätze in Frauenhäusern.

Auch das 2025 verabschiedete "Gewalthilfegesetz" ist wenig ermutigend: Ab 2032 haben Frauen und ihre Kinder, die von geschlechtsspezifischer oder häuslicher Gewalt betroffen sind, einen Rechtsanspruch auf kostenlosen Schutz und Beratung, was zunächst eine Verbesserung darstellt. Bisher mussten Betroffene, die keinen Anspruch auf Sozialleistungen haben, zumindest einen Teil der Kosten für den Aufenthalt im Frauenhaus selbst tragen.

Allerdings klafft eine große Lücke im Gesetz: Nicht, wie ursprünglich vorgesehen, alle von geschlechtsspezifischer Gewalt Betroffenen haben einen Schutzanspruch, sondern faktisch nur cis*Frauen. Trans-, Inter- und nicht-binäre Menschen werden durch das Gesetz nicht geschützt. Angesichts der steigenden Zahlen von queerfeindlicher Gewalt ist dies besonders besorgniserregend.

Studien belegen: Rassistisch motivierte Gewalt nimmt zu

Der Rechtsruck in Deutschland geht mit einem Anstieg rassistisch motivierter Gewalt einher. Nach Angaben des Verbands der Opferberatungsstelle werden täglich mindestens fünf Menschen Opfer rechter, rassistischer oder antisemitischer Gewalt. Eine Studie der EU-Agentur für Grundrechte zeigt: 76 % der in Deutschland befragten Studienteilnehmer:innen gaben an, innerhalb der vergangenen fünf Jahre explizit wegen ihrer Herkunft und Hautfarbe Opfer von Rassismus geworden zu sein.

Betroffene berichten von wachsender Diskriminierung an den Schulen, am Arbeitsplatz und im öffentlichen Raum. Besonders migrantisierte Personen, Muslim*innen und queere Menschen sind verstärkt Anfeindungen ausgesetzt. Gleichzeitig werden Maßnahmen zum Schutz und zur Förderung marginalisierter Gruppen kontrovers diskutiert und in einigen Bereichen zurückgefahren. 

In den Medien werden Taten von Personen mit Fluchthintergrund überproportional hervorgehoben, während Delikte von deutschen Staatsbürger*innen häufig nur am Rande erwähnt werden. Diese Verzerrung führt zu einer Stigmatisierung und weiteren Ausgrenzung von migrantisierten Personen und trägt zu einem verzerrten Bild von Kriminalität bei. Gleichzeitig bleibt der Blick auf die tatsächlichen Ursachen von Gewalt und Diskriminierung oft oberflächlich, was eine differenzierte Auseinandersetzung erschwert. 


Queere Menschen besonders von Diskriminierung und Gewalt betroffen

Die Leipziger Autoritarismus-Studie zeigt, dass antifeministische und sexistische Einstellungen in erschreckend vielen Teilen der Gesellschaft tief verankert sind: Jeder dritte Mann und jede fünfte Frau vertreten ein geschlossenes antifeministisches oder sexistisches Weltbild. Besonders betroffen von Ausgrenzung: queere Menschen. Laut einer Studie aus dem Jahr 2019 sind sie dreimal häufiger von Depressionen betroffen als nicht-queere Menschen. Auch die Ergebnisse des zweiten großen LGBTI-Survey zeigen, dass queere Menschen weltweit noch massiv unter Diskriminierung und Gewalt leiden müssen:

  • 45 % der befragten Lesben und 43 % der befragten bisexuellen Frauen wurden aufgrund ihres Lesbisch- bzw. Bisexuell-Seins diskriminiert.

  • 66 % der trans* Befragten gaben an, in den letzten 12 Monaten aufgrund ihres Trans*-Seins diskriminiert worden zu sein.

  • 10 % der trans* Befragten gaben an, in den letzten 12 Monaten Belästigungen und Gewalt erfahren zu haben.

Der fortwährende Antifeminismus und die verbreiteten, toxischen Männlichkeitsbilder tragen nicht nur zur Diskriminierung von Frauen allgemein, sondern auch zu einem Klima der Gewalt und Ausgrenzung queeren Menschen gegenüber bei. 

Widerstand ist nötig – jetzt mehr denn je

Der Internationale Frauentag 2025 ist trotz allem kein Tag der Resignation. Es gibt immer noch mutige Stimmen, starke Bewegungen, entschlossenen Widerstand. Der feministische Kampf hat Generationen überdauert und wird sich auch von Rechtsruck und Co. nicht aufhalten lassen. Doch es reicht nicht, auf vergangene Kämpfe zu blicken - wir müssen neue Strategien entwickeln, uns organisieren und klarer denn je Position beziehen.

Was du jetzt tun kannst:

  • Organisieren & vernetzen: Feministische Bündnisse stärken, Proteste auf die Straße bringen. Auf Social Media kannst du dich so einigen großartigen Gruppen anschließen und dich mit anderen Menschen zusammentun. Vernetzung stärkt auch deine eigene Resilienz. In vielen Städten in ganz Deutschland finden heute Demonstrationen statt. Eine Übersicht findest du hier >>

  • Wahlen nicht den Rechten überlassen: Auch wenn die Bundestagswahl vorbei ist, die nächste kommt bestimmt. Wichtig dabei: Auch Kommunal- und Europawahlen nutzen.

  • Laut bleiben: Auch im Kleinen kann viel bewegt werden: Wenn der Onkel am Esstisch laut queerfeindliche Sprüche klopft und der Rest der Familie schweigt, sei mutig und lass dich nicht einschüchtern. Lautstärke ist kein Indikator für eine qualifizierte Meinung. 

  • Solidarität leben: Frauenhäuser unterstützen, feministische Medien stärken, marginalisierte Stimmen verstärken. Viele wichtige Organisationen sind mehr denn je auf Spenden und Mitgliedsbeiträge angewiesen.

Du bist selbst von (sexualisierter) Gewalt betroffen? Hier findest du Unterstützung:

Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen: 08000 116 016

Hilfetelefon sexueller Missbrauch: 0800 22 55 530

Thema Care-Arbeit:
  • https://www.bpb.de/themen/familie/care-arbeit/
  • https://www.oxfam.de/unsere-arbeit/themen/care-arbeit#:~:text=Allerdings%20werden%20Frauen%20im%20Unterschied,K%C3%BCmmerns%2C%20ist%20F%C3%BCrsorge%20und%20Selbstsorge.
  • https://www.ilo.org/global/publications/books/WCMS_633135/lang--en/index.htm

Thema Gender Pay Gap
  • https://www.diw.de/de/diw_01.c.867356.de/publikationen/wochenberichte/2023_09_1/gender_pay_gap_und_gender_care_gap_steigen_bis_zur_mitte_des_lebens_stark_an.html
  • https://ec.europa.eu/eurostat/statistics-explained/index.php?title=Gender_pay_gap_statistics#Possible_causes_of_the_unadjusted_gender_pay_gap

Thema Reproduktive (Un)gerechtigkeit
  • https://en.wikipedia.org/wiki/Loretta_Ross
  • https://ichgcp.net/de/clinical-trials-registry/NCT03452111
  • https://www.boell-bw.de/de/2021/03/15/reproduktive-gerechtigkeit-eine-einfuehrung
  • https://www.rosalux.de/news/id/45455/reproduktive-gerechtigkeit#:~:text=Sie%20definiert%20reproduktive%20Gerechtigkeit%20folgenderma%C3%9Fen,(Ross%2FSolinger%202017).
  • https://www.zeit.de/kultur/2022-08/schwangerschaftsabbrueche-paragraf-218-stgb-kriminalisierung-10nach8
  • https://dejure.org/gesetze/StGB/218.html
  • https://dejure.org/gesetze/StGB/219a.html
  • https://www.fes.de/themenportal-gender-jugend-senioren/gender-matters/the-future-is-feminist-archive/artikelseite/reproduktive-gerechtigkeit-selbstbestimmung-fuer-alle
  • https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/themen/familie/schwangerschaft-und-kinderwunsch/schwangerschaftsabbruch/schwangerschaftsabbruch-nach-218-strafgesetzbuch-81020#:~:text=Die%20Kosten%20eines%20Schwangerschaftsabbruchs%20aufgrund,die%20Frau%20sozial%20bed%C3%BCrftig%20ist.
Rassismus
  • https://www.antidiskriminierungsstelle.de/DE/ueber-diskriminierung/diskriminierungsmerkmale/ethnische-herkunft-rassismus/ethnische-herkunft-rassismus-node.html
  • https://www.gwi-boell.de/de/2019/04/18/was-ist-intersektionalitaet-eine-definition
  • https://pinkstinks.de/was-ist-intersektionalitaet/#:~:text=Was%20sind%20Beispiele%20f%C3%BCr%20Intersektionalit%C3%A4t,als%20eine%20trans%20Frau%20ohne%E2%80%A6
  • https://mediendienst-integration.de/artikel/was-ist-struktureller-rassismus.html
  • https://stiftung-gegen-rassismus.de/ziele
Queer- und Transfeindlichkeit
  • https://diversity-arts-culture.berlin/woerterbuch/queer
  • https://www.lsvd.de/de/ct/562-Transphobie-Transfeindlichkeit-und-geschlechtliche-Vielfalt-in-Deutschland#:~:text=Transphobie%20bzw.,Kategorien%20von%20m%C3%A4nnlich%2Fweiblich%20entspricht.
  • https://www.lsvd.de/de/ct/2628-erfahrungen-von-trans-menschen-in-deutschland
  • https://www.lsvd.de/de/ct/2626-diskriminierung-und-gewalt-gegen-lesbische-und-bisexuelle-frauen
  • https://echte-vielfalt.de/lebensbereiche/lsbtiq/das-selbstbestimmungsgesetz-doch-spaeter-als-gedacht/
  • https://www.econstor.eu/bitstream/10419/231715/1/1749370654.pdf
Thema (Sexualisierte) Gewalt an Frauen
  • https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/femizid-2023/519674/ni-una-menos/
  • https://www.lpb-bw.de/gewalt-gegen-frauen#c96945
  • www.bmfsfj.de/bmfsfj/service/publikationen/gewalt-gegen-frauen-in-paarbeziehungen/80614
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