Wer, wie ich, ohne Bruder oder Schwester aufgewachsen ist, stellt sich Fragen, die Personen mit Geschwistern nie einfallen würden. Diese Denkweisen kommen dir als Einzelkind bestimmt bekannt vor:
Für Einzelkinder bleibt das Geschwisterleben ein Rätsel. Man sieht, wie andere einander Geheimnisse anvertrauen, sich gegen die Eltern verschwören oder streiten – und wundert sich, wie sich das anfühlt.
Auch ich stelle mir ab und zu vor, wie es wäre, jemanden zu haben, der mich von Anfang an begleitet und (fast) ohne Worte versteht. Hätte eine Schwester respektive ein Bruder mein Leben bereichert oder eher belastet und hätte ich sie/ihn als Partner in Crime oder als Konkurrenz angesehen? Ich werde es (leider?) nie erfahren.
Als Einzelkind fragt man sich oft, wie man sich durch Geschwister verändert hätte. Hätte man eher gelernt, zu teilen oder Kompromisse einzugehen? Oder wäre man weniger egoistisch geworden? Auch diese Fragen bleiben unbeantwortet. Feststeht jedoch, dass Geschwister die Persönlichkeit und das Verhalten prägen.
Das Vorurteil hält sich hartnäckig: Einzelkinder gelten als überbehütet und verhätschelt. Ja, man genießt die ungeteilte Aufmerksamkeit von Mama und Papa und nein, sie lesen einem nicht jeden Wunsch von den Lippen ab. Im Gegenteil: Mit berufstätigen Eltern und ohne Geschwister müssen Einzelkinder früh lernen, Verantwortung für sich selbst zu übernehmen und Aufgaben ohne Hilfe zu meistern. Prinzessinnen-Status und Sonderbehandlung? Fehlanzeige!
Für Einzelkinder ist ein eigenes Zimmer selbstverständlich. Beim Gedanken, den Rückzugsort mit jemandem zu teilen, sträuben sich mir die Nackenhaare. Wo bleibt da die Ruhe? Wie funktioniert der Alltag mit einer zweiten Person im Raum? Ich kann mir das nur schwer ausmalen – und bin froh, es nie erlebt zu haben.
Einzelkinder pflegen häufig ein sehr inniges Verhältnis zu ihren Eltern und versuchen die Themen Krankheit und Tod so lange wie möglich auszublenden. Denn der Verlust von Mutter und Vater trifft sie besonders hart. Wichtige Entscheidungen, das Begräbnis, die Erbschaft – alles bleibt an ihnen hängen.
Das Schlimmste ist aber, niemanden aus der engsten Familie zu haben, der einem in der schweren Zeit beisteht und dieselben Erinnerungen teilt. Keine Schwester, kein Bruder, die/der in der Kindheit dieselben Dinge erlebt hat. Diese Vorstellung bereitet vielen Einzelkindern (einschließlich mir selbst) Angst.
Lesetipp: Wie du solch negative Gedanken wieder loswirst, erfährst du hier.
Als Einzelkind groß zu werden, hat Vor- und Nachteile. Ob die positiven oder negativen Aspekte überwiegen, hängt stark von der Familie, der eigenen Persönlichkeit und davon, wie sehr das Alleinsein als Freiheit oder als Lücke empfunden wird, ab.
Ich persönlich habe mich immer gut selbst beschäftigen können und schätze es bis heute, nicht wegen jeder Kleinigkeit mit jemandem Rücksprache halten zu müssen. Sicherlich schwingt an dieser Stelle eine Portion Egoismus mit. Ob das anders wäre, wenn ich Geschwister hätte? Vielleicht. Vielleicht hätten meine Schwester oder mein Bruder und ich aber auch aneinander vorbeigelebt? Denn Geschwister zu haben, bedeutet nicht automatisch, eine enge Beziehung zu haben. Gerade wenn ein großer Altersunterschied vorhanden ist, steht einem ein*e Freund*in möglicherweise näher als die eigene Schwester oder der Bruder.
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