Was ein Pflaster auf dem Mund bewirkt

Gefährlicher Schlaf-Trend: Was es mit Mouth Taping auf sich hat

Mouth Taping: Frau mit zugeklebtem Mund | © Getty Images/bymuratdeniz
Zum Schlafen den Mund zukleben? Experten raten davon ab
© Getty Images/bymuratdeniz

Stars wie Model Ashley Graham kleben sich beim Schlafen den Mund zu. Das sogenannte Mouth Taping soll die Schlafqualität verbessern. Das hält Schlafforscher Dr. Christian Benedict davon.

"Mouth Taping" ist aktuell in aller Munde. Auch Model Ashley Graham (35) verriet jetzt, dass sie sich nachts den Mund zuklebt, auf Social-Media-Plattformen wie TikTok macht der skurrile Trend schon seit Monaten die Runde. Das Pflaster auf dem Mund soll sich positiv auf den Schlaf auswirken. Man fühle sich morgens fitter, zudem sei Nasenatmung gesünder, heißt es. Ob das Mouth Taping wirklich so ein Wundermittel ist und welche Risiken entstehen können, erklärt Schlafforscher Dr. Christian Benedict im Interview.

Bringt es wirklich etwas, sich nachts den Mund zuzukleben?

Dr. Christian Benedict: Im Jahr 2022 wurde eine kleinere Studie mit 20 Patienten veröffentlicht, die an einer milden Form der obstruktiven Schlafapnoe litten. Diese Patienten hatten durchschnittlich zwischen fünf und 14 längere Atemaussetzer pro Stunde während des Schlafes. Die Studie zeigte, dass 13 von 20 Patienten, die ihren Mund mit Klebeband zugeklebt hatten, weniger schnarchten und weniger Atemaussetzer hatten, verglichen mit einer Nacht ohne Klebeband. Diese Studie wird von Befürwortern des Mouth Taping gerne als Beweis angeführt. Dennoch sollte man das Sprichwort "Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer" im Hinterkopf behalten. Mit anderen Worten handelt es sich hier um eine kleine Studie, die eine spezielle Patientengruppe untersucht hat. Daher können keine Rückschlüsse darauf gezogen werden, ob die beobachteten positiven Effekte auf die Atmung während des Schlafs allgemein gültig sind.

Warum ist Nasenatmung besser?

Dr. Benedict: Im Allgemeinen ist bekannt, dass die Luft durch die Nasenatmung besser gereinigt wird, da gröbere Partikel herausgefiltert werden. Zudem wird die Luft in der Nase angewärmt und befeuchtet und mit Stickstoffmonoxid, einem Gas, das in den Nasennebenhöhlen produziert wird, vermischt, bevor sie in die Lunge gelangt. Die Aufbereitung der Luft erleichtert den Gasaustausch in den Lungen und stellt sicher, dass die Lungen weniger durch gröbere Partikel gereizt werden. Stickstoffmonoxid hat auch blutdrucksenkende und angstlösende Wirkungen. Eine umfassende Aufbereitung der Atemluft findet bei der Mundatmung nicht statt. Beim Atmen durch den Mund rückt die Zunge näher an den Rachen und kann insbesondere im Schlaf, wenn der Muskeltonus einschließlich der Zungenmuskulatur abnimmt, zu Schnarchen oder Atempausen führen.

Kann sich "falsches" Atmen auch negativ auf die Optik auswirken bzw. die Gesichtsform verändern?

Dr. Benedict: Das Atmen durch den Mund kann möglicherweise zu Veränderungen in der Haltung von Kopf und Nacken führen. Bei langfristigem Mundatmen kann dies zu einer speziellen Gesichtsstruktur führen, die als "Adenoidgesicht" bezeichnet wird. Diese Gesichtsform umfasst einen schmalen oberen Zahnbogen, Veränderungen an den Schneidezähnen, eine unvollständige Versiegelung der Lippen und eine erhöhte Gesichtshöhe.

Woran liegt es, dass manche Menschen automatisch eher durch den Mund atmen und andere durch die Nase?

Dr. Benedict: Es ist richtig festzuhalten, dass die Mundatmung während intensiver körperlicher Anstrengung nützlich sein kann, da mehr Luft in kürzerer Zeit eingeatmet werden kann. Dauerhaftes Mundatmen kann jedoch auch durch anatomische Engstellen in der Nasenpassage begünstigt werden, die das Atmen durch die Nase erschweren. Nasenverstopfung aufgrund von Allergien oder Erkältungen kann ebenfalls das Atmen durch die Nase erschweren. Es kann jedoch auch einfach zur Gewohnheit werden, durch den Mund zu atmen.

Woran merkt man eigentlich, ob man Mund- oder Nasenatmer ist?

Dr. Benedict: Ein trockener Mund, insbesondere nach dem Schlaf, hörbare Atemgeräusche und das überwiegende Offenhalten des Mundes können Anzeichen für eine Neigung zur Mundatmung sein.

Kann das Pflaster auf dem Mund auch schädlich sein?

Dr. Benedict: Wenn Personen aufgrund von Allergien, mittlerer bis schwerer Schlafapnoe oder einer verengten Nasenpassage während des Schlafs Probleme haben, durch die Nase zu atmen, sollten sie das Abkleben des Mundes vermeiden. Das Abkleben des Mundes kann ihre Fähigkeit zu atmen beeinträchtigen. Unter diesen erschwerten Bedingungen kann nicht ausgeschlossen werden, dass Mouth Taping das Herz-Kreislauf-System belastet.

Welche wissenschaftlich bewiesenen Techniken für besseren Schlaf gibt es?

Dr. Benedict: Im Falle von Schlafstörungen, die nicht auf körperlichen Beschwerden beruhen, hat sich die kognitive Verhaltenstherapie für Insomnie als wirksam erwiesen. Sollten Sie unter unruhigen Beinen in der Nacht leiden, die das Schlafen erschweren, ist es empfehlenswert, Ihren Eisenstatus überprüfen zu lassen. Eine häufige Schlafstörung ist die obstruktive Schlafapnoe, die je nach Schweregrad und Ursache mit Lebensstiländerungen, Zahnschienen, Atemmasken oder chirurgischen Eingriffen vom Arzt behandelt werden kann. Es ist wichtig anzumerken, dass die Behandlung von Schlafstörungen individuell erfolgen sollte, und es wird empfohlen, einen Arzt oder Schlafspezialisten aufzusuchen, um eine genaue Diagnose und geeignete Behandlungsoptionen zu erhalten. Der Versuch, Schlafstörungen mithilfe von Mund-Taping zu bewältigen, erscheint daher wenig plausibel.

 

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