Hinter dem Gefühl von Nervosität vor dem Einschlafen kann eine Angststörung stecken. Dr. Hanne Horvath verrät im Interview, was unter Hypnophobie zu verstehen ist.
Viele Menschen haben Probleme einzuschlafen. Bei einigen Personen äußert sich die Schlafstörung so extrem, dass sie unter nervösen Zuständen beim Zubettgehen leiden. Schlafangst kann auf Dauer zu Verhaltensänderungen und gesundheitlichen Problemen führen, weiß Dr. Hanne Horvath, Co-Founderin und Chief Campaign Officer der Online-Therapieplattform HelloBetter. Am Tag des Schlafes am 21. Juni klärt die Expertin im Interview über Hypnophobie auf und verrät, wie sich die Angst vor dem Schlafen behandeln lässt.
Dr. Hanne Horvath: Während die Antwort auf diese Frage ziemlich logisch erscheint, sollten wir die Angst vor dem Schlafen genauer unter die Lupe nehmen, denn dahinter können ganz andere Ängste stecken. Zum Beispiel die Angst vor Dunkelheit oder die Angst vor Albträumen. Es kann auch eine Rolle spielen, ob jemand eher unter Einschlafproblemen leidet oder mit Ängsten vor dem nächtlichen Erwachen zu kämpfen hat. Das kann zum Beispiel bei Menschen der Fall sein, die nachts Panikattacken erleben. Es ist auch möglich, dass einem die Vorstellung Angst macht, nicht mehr aufzuwachen. Sich über diese "Feinheiten" klar zu werden, kann dabei helfen, Experte oder Expertin für die eigene Angst vor dem Schlaf zu werden. Das kann das Gefühl der Hilflosigkeit vermindern und dabei unterstützen, ganz gezielt nach Lösungen zu suchen.
Horvath: Schlafangst, auch unter dem Fachbegriff Hypnophobie bekannt, ist neben Insomnie oder Narkolepsie eine von vielen verschiedenen Schlafstörungen, die uns plagen können. Neben dem offensichtlichen Symptom des Angstgefühls beim Versuch, einzuschlafen, gibt es noch einige weitere typische Symptome für die Schlafstörung. Oft resultiert eine Hypnophobie in der konkreten Verhaltensänderung einer Person: Sie fühlt sich schnell überfordert, ist konzentrationslos, schnell reizbar, nervös, unruhig und leidet unter dem anhaltenden Gefühl einer drohenden Gefahr. Schlafangst kann außerdem körperliche Auswirkungen auf den Menschen haben: Diese reichen von Verdauungsproblemen, schnellem Herzschlag und schneller Atmung, über übermäßiges Schwitzen und angespannten Muskeln, bis hin zu Panikattacken.
Horvath: Die Ursachen für die Angst vor dem Schlafen können vielfältig sein. Oft spielen Erfahrungen eine große Rolle, wir "erlernen" die Schlafangst sozusagen ungewollt. Wer nicht einschlafen kann und nachts lange wach liegt, dabei grübelt oder sich einsam fühlt, kann negative Gefühle dem Schlaf gegenüber entwickeln. Das Liegen im eigenen Bett kann so durch die unangenehmen Erfahrungen mit der Zeit zum Signal für Stress und Angst werden. In der Folge wird erholsamer Schlaf immer schwieriger.
Wem der Wechsel in einen anderen Bewusstseinszustand Angst macht, leidet vielleicht unter der Angst vor Kontrollverlust. Um zu schlafen, müssen wir loslassen, entspannter werden und vertrauen, dass uns nachts nichts passiert und wir wieder aufwachen. Es ist möglich, dass diese Themen - loslassen und vertrauen - auch im Wachzustand eine Rolle spielen und sie sich ganz deutlich in der Angst vorm Schlafen widerspiegeln.
Horvath: Eine konkrete Einschätzung zu geben, ist schwer. Im Allgemeinen gehören Schlafstörungen und besonders die Angst vor dem Einschlafen zu der Rubrik der Angststörungen, welche zu den häufigsten mentalen Gesundheitsstörungen in Deutschland, aber auch Europas, gehören. Betroffen von Schlafstörung sind dabei diejenigen, die bereits im Wachzustand unter Ängsten und/oder Phobien leiden.
Horvath: Schlafangst kann durch gute Schlafhygiene vorgebeugt werden. Einige Tipps für eine gesunde Schlafroutine sind unter anderem:
Ein fester Schlafrhythmus: Steht regelmäßig zur gleichen Zeit auf und vermeidet Mittagsschlaf, auch wenn es schwerfällt. Stattdessen lieber an die frische Luft gehen oder Sport machen. Das schenkt Kraft für den Nachmittag.
Fit bleiben: Plant in euren Alltag regelmäßig körperliche Aktivität ein. Schon ein 30-minütiger Spaziergang kann wahre Wunder bewirken.
Ein Ritual nur für Sie: Findet ein persönliches, entspannendes Einschlafritual vor dem Zubettgehen.
Wohlfühlen im Schlafzimmer: Sorgt in eurem Schlafzimmer für eine angenehme Atmosphäre und achtet darauf, dass ihr euch pudelwohl fühlt.
Zeitlos schlafen: Schaut in der Nacht nicht auf den Wecker oder die Uhr. Selbst wenn ihr zur Toilette müsst, versucht nicht die Zeit abzulesen.
Horvath: Es gibt einige Tipps, die dabei unterstützen können, die Angst vor dem Schlafen zu vermindern. Zunächst ist es also empfehlenswert, zu probieren, das Problem alleine unter Kontrolle zu kriegen. Wer allerdings keine Linderung oder gar eine Verstärkung der Ängste erlebt, sollte sich psychotherapeutische Unterstützung suchen:
Entspannung üben: Wenn das nächtliche Schlafen euch ängstigt, kann es hilfreich sein, sich tagsüber an einen entspannten Zustand zu gewöhnen. Ihr könnt euch zum Beispiel im Internet eine Fantasiereise anhören oder einfach einige Minuten auf eure Atmung achten. Es gibt auch Kurse, in denen ihr gezielt Entspannungsübungen erlernen könnt.
Machen Sie es sich gemütlich: Das klingt banal, zielt aber darauf ab, euer Bett wieder zu einem angenehmen Ort zu machen, an dem ihr euch wohlfühlt. Vielleicht möchtet ihr dafür etwas in eurem Schlafzimmer verändern, etwa das Bett umstellen, frisch beziehen oder die Bettdecke vor dem Schlafen aufschütteln. Solche kleinen Rituale können dazu beitragen, dass nicht alles wie sonst ist, wodurch Bewegung in den typischen Ablauf kommt - bei dem normalerweise die Angst auftritt. Außerdem ist die Aufmerksamkeit, die ihr eurem Wohlbefinden dadurch schenkt, eine schöne Übung in Selbstfürsorge.
Die Angst beobachten: Möglicherweise denkt ihr jetzt, dass die Angst vor dem Schlafen nicht auf magische Weise verschwinden wird, wenn ihr euer Bett macht - schön wäre es. Wenn ihr also Ängste erlebt, könnt ihr versuchen, die Ängste selbst als Hilfe zur Entspannung zu nutzen.
Das kann funktionieren, indem ihr die Angst beobachtet, ohne sie weiter zu verfolgen, das heißt zum Beispiel ohne die Angstgedanken aktiv weiter zu spinnen. Dafür ist es hilfreich, wenn ihr parallel Erfahrung in der Atementspannung sammelt. Genauso, wie ihr eure Atmung bewusst wahrnehmen könnt, lässt sich nämlich auch die Angst beobachten. Dazu könnt ihr bemerken, aus welchen Elementen die Angst überhaupt besteht: Ist die Angst "nur" ein unangenehmes Gefühl oder umfasst sie auch Gedanken und körperliche Empfindungen? Nehmt diese Details wahr, ohne euch in ihnen zu verlieren. Dieses "innere Schauspiel" zu verfolgen, kann euch mit der Zeit dabei helfen, ruhiger zu werden. Als würdet ihr gefährliche Fische hinter einer Glasscheibe in einem Aquarium beobachten.