Under pressure

Die ungesunde Wahrheit über den Gender Stress Gap

Digitale Collage einer Frau mit Blumen und abstrakten Zeichen | © Adobe Stock/Solarisys
Stressige Realität: Der Gender-Stress-Gap
© Adobe Stock/Solarisys

Frauen sind im Durchschnitt doppelt so häufig von chronischem Stress betroffen wie Männer. Warum das so ist und wie sich Stress auf unsere Gesundheit auswirkt, erfahrt ihr hier.

Beruf, gesellschaftliche Verpflichtungen, Haushalt und Familie unter einen Hut zu bringen und dabei auch noch auf sich und seine Gesundheit zu achten. Das Leben stresst - das wissen wir alle. Aber dass es für einige von uns viel stressiger ist als für andere, das vergessen wir gerne.
Forscher*innen haben in einer im Journal of Brain & Behavior publizierten Studie herausgefunden, dass Frauen im Durchschnitt deutlich häufiger unter chronischem Stress leiden als Männer. Zum Gender Data Gap, Gender Pay Gap und Gender Pain Gap gesellt sich also der sogenannte Gender Stress Gap. 
Was man darüber wissen sollte und wie schädlich Stress für die Gesundheit ist, erfahrt ihr hier.

Vorab wichtig: Wenn wir hier von "Frauen" und "Männern" sprechen, dann deshalb, weil die Forschung in vielen Bereichen noch sehr binär angelegt ist. Dass queere und sonstig (mehrfach) diskriminierte Menschen überdurchschnittlich viel Stress und den damit verbundenen gesundheitlichen Folgen ausgesetzt sind, ist ebenso wissenschaftlich belegt wie besorgniserregend. 

Was ist der Gender Stress Gap?

Stress betrifft sowohl Männer als auch Frauen. Trotzdem stellt die Forschung fest: Frauen leiden häufiger und intensiver unter chronischem Stress. Dieser geschlechtsspezifische Unterschied wird als "Gender Stress Gap" bezeichnet.
Was der Begriff nicht aussagen will, ist, dass Männer gar nicht unter Stress leiden. Klar ist aber, dass Frauen oft doppelt belastet sind, da sie im Durchschnitt häufiger als Männer sowohl berufliche als auch familiäre Verantwortung tragen.

Warum Frauen doppelt so häufig unter starkem Stress leiden wie Männer  

Die Ursachen von Stress sind vielfältig. Das entscheidende Stichwort scheint aber wie so oft die Care-Arbeit zu sein - also die Betreuung, Versorgung und Pflege von Menschen. Dabei geht es sowohl um Berufe im Pflegebereich als auch um private Pflege oder Dinge wie Kinderbetreuung, Hausarbeit und vieles mehr.
Wünschenswert wäre, dass Care-Arbeit immer anerkannt und entsprechend bezahlt wird. Häufig ist dies jedoch nicht der Fall, und Frauen übernehmen im Durchschnitt sowohl im Berufs- als auch im Privatleben mehr Sorgearbeit als Männer (letztere natürlich unbezahlt). Und wo Verantwortung ist, ist auch psychische Belastung. Dieser zusätzliche Druck erhöht die Anfälligkeit für chronischen Stress und die damit verbundenen gesundheitlichen Risiken.

Hinzu kommt der gesellschaftliche Druck: An Frauen wird oft die Anforderung gestellt, nicht nur beruflich erfolgreich sein, sondern auch stets gut aussehen, einfühlsam, sensibel und harmonisch sein. Kurz: Frauen müssen funktionieren. Und das rund um die Uhr. Diese gestiegenen Erwartungen, alle Rollen gleichzeitig auszufüllen - Mutter, Partnerin, Kollegin und Kummerkasten für die Probleme anderer - führen zu einer ständigen Mehrbelastung. 
Kein Wunder, dass Frauen im Schnitt doppelt so häufig wie Männer unter starkem Stress und Angstzuständen leiden.

Nicht auf die leichte Schulter zu nehmen - Wann Stress zur Gefahr wird 

Eine wichtige Entscheidung steht noch aus: Nämlich die zwischen kurzfristigem Stress und chronischem Stress. Ersterer kann uns sogar gut tun und unsere Leistungsfähigkeit und Konzentration steigern, indem er körperliche und geistige Ressourcen mobilisiert. Problematisch ist es, wenn letzteres der Fall ist und der Stress chronisch wird. Davon spricht man in der Regel, wenn der Stress über mehrere Wochen oder Monate andauert und die betroffene Person dauerhaft unter Anspannung und Überforderung leidet.

Das sind die Auswirkungen von chronischem Stress:

  • Erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Bluthochdruck

  • geschwächtes Immunsystem

  • Verdauungsprobleme 

  • Schlafstörungen

  • Erhöhte Anfälligkeit für Depressionen und Angstzustände

  • Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen

  • Erhöhtes Risiko für Typ-2-Diabetes

 

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Minoritäten Stress: Warum marginalisierte Personen besonders betroffen sind

Ein weiterer wichtiger Aspekt der Stressforschung ist der sogenannte Minoritäten-Stress. Dieser beschreibt den zusätzlichen Stress, den Menschen erleben, die einer stigmatisierten Minderheit angehören. Dazu zählen zum Beispiel queere und migrantisierte Personen. Diese Gruppen sind häufig Diskriminierung und Vorurteilen ausgesetzt, was zu einem hohen Maß an Stress führt.

Laut einer Studie aus dem Jahr 2019 sind queere Personen dreimal häufiger von Depressionen betroffen als nicht queere Personen. Die Ursachen dafür Diskriminierung oder Belästigung, Ausgrenzung am Arbeitsplatz, Hass in den sozialen Medien. Der anhaltende Stress durch Diskriminierung und die damit verbundenen gesundheitlichen Auswirungen sind also dramatisch. 

Fazit: Was tun gegen Stress?

Der Gender Stress Gap zeigt einmal mehr, wie unterschiedlich und ungerecht Anforderungen und Arbeit noch immer verteilt sind. Um diesen Ungleichheiten entgegenzuwirken, bedarf es struktureller Veränderungen und gezielter Unterstützung für die betroffenen Gruppen. So grundlegend die Aufgabe ist, so groß ist sie auch. Natürlich helfen individuelle Lösungen wie Aufgaben- und Arbeitszeitreduktion, mehr Selbstfürsorge und eine gerechtere Rollenverteilung im Alltag. Aber nur durch strukturelle Veränderungen kann der Stress in unserer Gesellschaft gerechter verteilt und das Wohlbefinden aller verbessert werden.

 

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