Im Interview

"Ein Ehevertrag ist sehr romantisch" - Janin Ullmann über finanzielle Unabhängigkeit von Frauen

Porträt Janin Ullmann  | © Simon Martinelli
Podcasterin Janin Ullmann im Interview über finanzielle Unabhängigkeit und transparente Gehälter.
© Simon Martinelli

Der Gender Pay Gap ist für Janin Ullmann (sie/ihr) eine Realität, die nur durch Offenheit und gemeinsames Handeln überwunden werden kann. Im Interview erzählt die Podcasterin, Unternehmerin und Moderatorin von ihrer Kindheit im Plattenbau und wie diese Erfahrung ihren Umgang mit Geld bis heute prägt. Sie betont, wie wichtig finanzielle Selbstbestimmung gerade für Frauen ist und kritisiert die immer noch bestehende Intransparenz von Gehältern.

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Wie gut kannst du pokern bei Gehaltsverhandlungen?

Ich habe kein gutes Pokerface. Ich versuche daher immer sehr gute Argumente zu haben. Und ich muss wissen, was mein Marktwert ist. Verhandlungssicherheit und Klarheit bekomme ich auch, indem ich frage: Was ist das für ein Job, was beinhaltet der? Was sind meine genauen Aufgaben? Die sind manchmal größer gestrickt und manchmal kleiner, und dann ergibt sich eine Summe, die es wert ist, dafür zu kämpfen.

Sind die Bezahlungen in deiner Branche gerecht oder ungerecht?

Es spricht tatsächlich kaum jemand über Zahlen. Das finde ich sehr schade. Es gibt einige Kollegen und Kolleginnen mit denen ich mich ab und zu austausche, dann gucken wir, dass wir ähnlich liegen und niemand überfahren wird.

Warum wagt niemand, diese Intransparenz und den Pay Gap zu kritisieren?

Er wird kritisiert, aber noch zu wenige tauschen sich intern wirklich offen und ehrlich über ihre Gehälter aus. Der Gender Pay Gap ist real. Ich glaube, dass wir das nur ändern können, wenn Frauen und Männer zusammenhalten und im besten Fall - wenn wir jetzt von einer idealen Welt sprechen - Männer sagen: „Ich möchte, dass meine Kollegin genauso bezahlt wird, wie ich.“ Das würde nicht nur helfen, ich glaube sogar, dass das der einzige Weg ist, wie wir den Gender Pay Gap langfristig schließen können. Es geht nur zusammen.

Ich bin sparsam aufgewachsen und mit dem Glaubenssatz ‚Wir müssen jeden Groschen dreimal umdrehen.‘ Der Plattenbau wird für immer in mir stecken.

Du sagst, du kommst aus einfachen Verhältnissen, bist bei deiner alleinerziehenden Mutter in einem Plattenbau in Erfurt groß geworden – was bedeutet das? Wirst du dich je reich fühlen können?

Für mich bedeutet es, dass ich zwar gerne Geld verdiene, aber nicht so gerne Geld ausgebe. Ich bin sparsam aufgewachsen und mit dem Glaubenssatz „Wir müssen jeden Groschen dreimal umdrehen“. Der Plattenbau wird für immer in mir stecken. Wenn mir jemand sagt: „Du musst das Geld mit vollen Händen ausgeben, damit es zur Tür wieder reinkommt“, bekomme ich eine Gänsehaut, aber auf die nicht so schöne Art. Ich bin ein Sparfuchs, achte darauf was ich wofür ausgebe. Aber ich bin gleichzeitig auch großzügig. Klingt, als könnte beides nicht zusammenpassen, oder? Tut es aber. Wenn ich mit meiner Familie und meinen Freunden essen gehe, achte ich nicht aufs Geld und liebe es einfach den schönsten Abend zu haben.

Wenn du diesen Satz häufig als Kind von deiner Mutter gehört hast, tat das auch weh oder war das einfach so?

Das war einfach so. Ich hatte nie das Gefühl, meiner Schwester, oder mir fehlt etwas. Ich habe wahrgenommen, dass wir im Supermarkt nicht einfach alles in den Einkaufswagen legen, aber auch das war total ok für mich. Ich weiß noch, dass ich mit 14 zu einer Freundin nach Hause eingeladen wurde. An dem Tag stand ich zum ersten Mal in einem Einfamilienhaus. Das fand ich beeindruckend, es gab so viel Platz und eine obere Etage nur für sie, sowas hatte ich davor noch nie gesehen. Trotzdem bin ich danach quietschvergnügt in meine Platte zurückgelaufen.

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Frau hält eine Brieftasche mit Bargeld in der Hand | © iStock | dragana991

Bei dir hieß es früher: Über Geld spricht man nicht – jetzt machst du das Gegenteil mit deinem Podcast FEMALE FINANCE, wie kam es dazu?

Ich will mit dem Tabu brechen. Warum sollen wir nicht über Geld sprechen? Gerade für Frauen ist das Thema Geld, Altersvorsorge, Verhandlung führen etc. existenziell. Trotzdem überlassen fast 60% der Frauen in Deutschland wichtige finanzielle Entscheidungen ihren Partnern und fast 90% denken, dass ihr Partner mehr über Finanzen weiß, als sie selbst. (Quelle: UBS Global Wealth) Das ärgert mich und so kann es doch nicht für immer bleiben. Vor allem, weil meistens Frauen in Altersarmut geraten. Deswegen habe ich meinen Finanz-Podcast „Female Finance“ gestartet, um aufzuklären, zu motivieren und zu zeigen, dass wir Frauen richtig gut sind, wenn es ums Investieren geht, wir müssen nur anfangen und endlich anfangen auf dicke Hose zu machen.

Wer legt denn besser an, Männer oder Frauen?

Frauen legen besser an! Sie sind zwar zögerlicher und vorsichtiger als Männer, dennoch erzielen Frauen im Schnitt eine ein Prozent höhere Rendite. Männer hingegen sind risikofreudiger und kommen schneller ins Machen. Es hat beides Vor- und Nachteile. Deswegen finde ich, dass wir uns unbedingt zusammentun sollten, das ist dann die Superkraft. Übrigens, der Mythos, dass man viel Geld braucht, um zu investieren, stimmt nicht. Mit 25 Euro im Monat kann man zum Beispiel mit einem ETF Sparplan anfangen.

Ja, man braucht nicht viel Geld, aber man braucht Geduld.

Korrekt. Zu einem smarten Plan gehört auch Zeit. Zum einen ist es klug früh anzufangen, dann nutzt man den Zinseszins. Zum anderen sollte man, meiner Meinung nach, nur Geld anlegen, das man locker zehn Jahre liegen und arbeiten lassen kann. Geld, das man drei Monate später wieder brauchen könnte, sollte man besser nicht anfassen.

Wer sich mit den eigenen Finanzen auskennt, bekommt Selbstbewusstsein und ein Schutzschild, dadurch wird man unabhängig.

Wie finanziell unabhängig bist du?

Ich bin finanziell so unabhängig, dass ich heute, im Gegenteil zu damals, im Supermarkt alles, was ich essen möchte, in den Einkaufswagen legen kann. Ich mache meinen Podcast, weil ich junge Frauen ermutigen möchte, sich mit ihren Finanzen auseinanderzusetzen. Wer sich mit den eigenen Finanzen auskennt, bekommt dadurch Selbstbewusstsein und ein Schutzschild, dadurch wird man unabhängig. Man kann aus einer Beziehung raus, die einen unglücklich macht, ein Business gründen, von dem man immer geträumt hat, oder auch mal eine Auszeit nehmen, wenn es einem selbst, oder einem geliebten Menschen nicht gut geht. Was ich dafür auch wichtig finde, ist, dass man einen Notgroschen auf der hohen Kante hat.

Und wie groß sollte so ein Notgroschen sein?

Ungefähr drei Monatsgehälter wären gut. Es kommt da auch auf das eigene Sicherheitsbedürfnis an.

Wie hoch ist das bei dir?

Aufgrund meiner Geschichte ist mein eigenes Sicherheitsbedürfnis maximal hoch. Ich glaube deswegen bin ich auch niemand, die sich ständig neue Sachen kauft.

Warst du als verheiratete Frau auch finanziell unanhängig?

Ja, das war ich auch davor. Ich hab mit 15 schon gekellnert und mir meinen ersten Urlaub auf Gran Canaria selbst finanziert. Das war kein Luxusurlaub, aber es war mein Urlaub, für den ich selbst gesorgt habe. Das hat mir damals einen richtigen Push gegeben. In einer Partnerschaft finde ich es wichtig, auf Augenhöhe zu sein, zu wissen, was verdient der andere. Viele wissen das gar nicht voneinander. Es gehört zu einer gesunden Partnerschaft dazu, sich auch darüber zu unterhalten, was wer finanziell einbringt und wie man die Kosten aufteilt. Auch hier kann man miteinander verhandeln, bis es sich für beide fair anfühlt.

Hattest du einen Ehevertrag?

Ich hatte einen nachträglichen Ehevertrag. Das geht total gut, wenn sich beide trotz Trennung noch gut verstehen und man sich gemeinsam einigen kann.

Was es alles gibt.

Ein spannendes Thema. Wir haben bei „Female Finance“ eine ganze Folge über das Thema Ehe und Ehevertrag gemacht. Und ganz aktuell auch eine Folge zum Thema „Scheidung“. Auch so ein Tabu-Thema und trotzdem so wichtig, gerade für Frauen, da sie ja nun doch noch häufiger der verzichtende Teil innerhalb einer Partnerschaft sind, wenn es um Selbstverwirklichung und Arbeit geht. Ich finde, jede Frau, die heiratet, sollte sich mit dem Thema Ehevertrag mit dem Partner, oder der Partnerin auseinandersetzen. Ein Ehevertrag ist auch etwas romantisches, weil man auf sich und sein Gegenüber achtet.

Was ist denn der beste Geldtipp, den dir je jemand gegeben hat?

Nichts zu unterschreiben, was man nicht versteht!

Hat für dich Geld positive oder negative Konnotation?

Für mich hat es etwas emotionales. Ich weiß natürlich, dass zu Reichtum für mich vor allem meine Familie, meine Freunde und die Gesundheit gehört. Und Geld ist das Mittel, dass es nun mal braucht, um sich das Leben aufzubauen, dass man sich wünscht. So geht es mir auch. Ich habe bestimmt nicht alles, was ich mir wünsche, aber sehr vieles, was ich brauche und ein paar Dinge, die ich auch nicht unbedingt brauche. Dafür bin ich dankbar.

Was empfindest du als zu teuer und was als zu billig?

Ich finde Elektroautos zu teuer und Fleisch zu billig.

Spielst du Lotto?

Ich glaube, da geht’s mir wie vielen, ich spiele kein Lotto, hoffe aber trotzdem jede Woche, dass ich gewinne.

 

FFF-Day 2024: Sei mit dabei

Du willst mehr Finanztipps? Janin Ullmann wird auch als Speakerin beim FEMALE FUTURE FORCE DAY 2024 am 12. Oktober in Berlin dabei sein - und du kannst es ebenfalls! Dich erwarten spannende Programmpunkte wie Podiumsdiskussionen, Panels, Keynotes, Hot Seats, interaktive Masterclasses, Live-Podcasts, Lesungen, Networking Spaces & Career Lounges, eine exklusive Goodie Bag und vieles mehr. Neben Irène Kilubi werden noch über 50 weitere inspirierende Speaker*innen und Expert*innen zu den wichtigsten Themen unserer Zeit sprechen. 

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