Schönheit, Macht, Differenz

Pretty Privilege: Wie Aussehen dein Leben beeinflusst

Frau mit langen braunen Haaren und blauem Eyeliner im Portrait | © Getty Images/Delmaine Donson
Von ausgegebenen Drinks, aufgehaltenen Türen oder netten Lächeln von Fremden: Pretty Privilege hat viele Spielarten
© Getty Images/Delmaine Donson

Unsere Gesellschaft hat ein Schönheitsproblem. So weit, so offensichtlich. Was jedoch oft übersehen wird, sind die direkten Auswirkungen, die das Aussehen auf den Erfolg im Berufsleben oder in sozialen Situationen haben kann. Hier erfahrt ihr, was sich hinter dem Pretty Privilege versteckt und wie wir unser Bewusstsein für dieses versteckte Privileg schärfen können.

Pretty Privilege: Die Herrschaft der „Schönen“

Pretty Privilege ist das Privileg, das jene Menschen genießen, die dem aktuellen normativen Schönheitsideal entsprechen. Das heißt genauer, dass Menschen, die gesellschaftlich als „schön“ gelten, bestimmte Vorteile gegenüber den Menschen genießen, die dem gegebenen Schönheitsstandard nicht entsprechen. Unabhängig von unseren privaten oder beruflichen Leistungen kann Pretty Privilege (ähnlich wie auch Privilegien aufgrund von Geschlecht, Alter, zugeschriebener Herkunft und Klasse), unser Leben unbemerkt lenken. Genau genommen könnte man beim Pretty Privilege und der damit verbundenen unfairen Behandlung also auch von einer „Diskriminierung aufgrund des Aussehens einer Person“ sprechen.

Höhere Löhne, Bessere Noten: Die Auswirkungen von Pretty Privilege erklärt 

Für alle Skeptiker*innen: Die Besserbehandlung aufgrund des Aussehens ist nicht nur eine gefühlte Wahrheit. Seit den 1970er Jahren beschäftigt sich die „Attraktivitätsforschung“ damit, gesellschaftliche Gegebenheiten und Auswirkungen von Attraktivität zu dekodieren. Dem Leitsatz „Wer schön ist, ist gut“ folgend, lassen sich Auswirkungen bei Einstellungsverfahren, im Justizsystem, auf dem Wohnungsmarkt und natürlich im sozialen Miteinander im Alltag feststellen.
So hat eine Studie gezeigt, dass konventionell attraktive Frauen eher als „passend“ und „fähig“ für einen Job als Führungsperson eingeschätzt werden. Eine weitere Studie hat belegt, dass attraktiv wahrgenommene Arbeitnehmer*innen höhere Löhne erhalten und, dass konventionell attraktive Student*innen im Schnitt bessere Noten bekommen.

Was das Ganze noch fieser macht ist, dass das Schönheitsprivileg quasi in einer Echokammer existiert: Einerseits haben Personen, die von Pretty Privilege profitieren, im Schnitt ein höheres Selbstbewusstsein, was Ihnen in Jobs und Co. einen zusätzlichen Boost gibt. Andererseits erfahren diejenigen, die nicht in die Norm passen, oft mehr Ablehnung, was zu Gefühlen der Unzulänglichkeit und einem geringeren Selbstwertgefühl führt. 

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Hübsche Karrierefrau | © iStock | nd3000

Warum schöne Menschen oft nicht bemerken, dass sie bevorzugt werden

Von ausgegebenen Drinks, aufgehaltenen Türen oder netten Lächeln von Fremden: Wer schön ist und dadurch Vorteile genießt, dem fällt dies oft gar nicht auf. Und genau das ist das Verzwickte an so ziemlich allen Privilegien. Oft fällt uns ein gesellschaftlicher Missstand nämlich erst dann auf, wenn wir selbst darunter leiden. Menschen mit Pretty Privilege gehen in vielen Fällen davon aus, dass die Vorteile, die sie im Leben haben, auf ihre eigenen Verdienste zurückzuführen sind. Der gesellschaftliche Bias, der hinter dem Privileg steckt, bleibt oft unbemerkt. Darüber hinaus ist es für Menschen mit Schönheitsprivilegien weniger wahrscheinlich, dass sie aufgrund ihres Aussehens diskriminiert oder negativ behandelt werden. Dieser Umstand kann es ihnen erschweren, die Erfahrungen derjenigen zu verstehen, die nicht dieselben Privilegien haben. Das soll natürlich nicht heißen, dass „schöne“ Menschen völlig zu Unrecht gesellschaftlich gute Positionen bekleiden. 

Profitiere ich von Pretty Privilege?

Schönheit ist subjektiv und weltweit super divers. Trotzdem lassen sich natürlich gewisse Merkmale feststellen, die dazu beitragen, dass wir jemanden schön finden. Aktuell sind diese leider immer noch sehr cis*-gendered, eurozentristisch und weiß geprägt. Wer sich die top Influencer*innen auf TikToK oder Instagram ansieht, bekommt einen ungefähren Eindruck davon, was wir gesellschaftlich gerade so feiern (Schlagworte Hailey Bieber und Timothée Chalamet). Ob du vom Pretty Privilege profitierst, kannst du vielleicht selber am besten einschätzen: Bekommst du oft Komplimente für dein Aussehen? Werden dir Drinks und Co. ausgegeben und deinen Freund*innen nicht? Dann ist es vielleicht Pretty Privilege (und Sexismus).

 

Pretty Privilege: Eine Anleitung zum Entlernen

1. Bewusstsein schaffen

Erkenne, dass das Privileg existiert: Bewusstsein ist der Schlüssel. Verstehen, dass Pretty Privilege ein reales Phänomen ist und seine Auswirkungen auf die Gesellschaft anerkennen, ist der erste Schritt, um dagegen anzukämpfen.

2. Den eigenen Bias hinterfragen

Hinterfrage deine Vorurteile: Jede*r hat unbewusste Vorurteile, und es ist wichtig, sich ihrer bewusst zu sein. Nimm dir Zeit, um über deine eigenen Vorurteile nachzudenken und arbeite daran, sie herauszufordern.

3. Direkte Empathie üben

Versuche, Menschen zu verstehen und mit ihnen mitzufühlen, die vielleicht nicht von Pretty Privilege profitieren. Gerade wenn du selber in einer Machtposition bist, kannst du direkt für ein ausgeglicheneres Playing Field sorgen. Indem du deine eigenen Vorurteile gegenüber attraktiven und weniger attraktiven Personen bewusst im Prozess hinterfragst, kannst du dich in deiner Entscheidung bewusst dem Bias entgegenstellen.

4. Laut sein

Wenn du Beispiele von Pretty Privilege beobachtest, sprich dich dagegen aus. Dies kann das Herausfordern von voreingenommener Sprache oder Verhalten und die Unterstützung derjenigen beinhalten, die durch Pretty Privilege marginalisiert sind.

5. Sich für mehr Diversität stark machen

Unterstütze Vielfalt und setze dich für mehr Inklusivität in deinem persönlichen und beruflichen Leben ein. Dies kann die Unterstützung einer diverseren Repräsentation in Medien, Bildung und am Arbeitsplatz beinhalten.

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