Vom 1. bis 4. Juli stand die deutsche Hauptstadt ganz im Zeichen der Mode. Im Rahmen der Berlin Fashion Week gaben renommierte und aufstrebende, mehrheitlich nationale Designer*innen einen ersten Ausblick auf die Trends des kommenden Jahres. Ich habe mir die Frühjahr/Sommer-Kollektionen 2025 vor Ort angeschaut und ziehe folgende Bilanz.
Mal lädt er in den Fernsehturm, mal ins Olympiastadion: William Fan ist bekannt dafür, seine Mode an außergewöhnlichen Orten zu präsentieren. Für eine vergleichsweise intime Location entschied sich der deutsch-chinesische Designer diese Saison. Der Grund: Im Gallery Space des Boutique-Hotels "Château Royal" zeigte er nicht nur Kleidung und Accessoires, sondern erstmals auch Echtschmuck.
Als Inspiration dienten dem Sohn zweier Gastronomen alltägliche Objekte wie Stäbchen, Schüsseln oder Reiskörner. Aus (Weiß-)Gold und Sterling Silber gefertigt und mit Emerald-Steinen und Diamanten verziert, verwandelt er wertlose Gebrauchsgegenstände in etwas Kostbares.
Neben Tableware interpretiert Fan auch klassische Workwear neu. So rückt seine "On Duty"-Kollektion Falten bewusst in den Fokus, Säume bleiben offen, Knopfleisten verdoppeln sich. Das Resultat: Zeitgenössische Arbeitskleidung, die sowohl tagsüber als auch abends überzeugt.
Das Münchner Label Horror Vacui feierte in Berlin sein Runway-Debüt und sein zehnjähriges Bestehen. Die Jubiläumskollektion "Love's Continuum" ist laut Designerin Anna Heinrichs "eine Hommage an die beständige Kraft der Liebe" und inszenierte sie passend dazu unter den schier endlosen Säulen des Berliner Kolonnadenhofs.
Noch beeindruckender als die Location: Die einzigartige Handwerkskunst, die sich erst auf den zweiten Blick vollständig erfassen ließ. Beim Re-See brachten mich aufwändiges Honeycomb Smocking oder Froschgoscherl-Pleating ebenso zum Staunen wie ein aus 1000 handgenähten Herzen bestehender Rock und ein Patchwork aus über 100 verschiedenen Stoffen. Verwendet wurden ausschließlich Textilreste der letzten Dekade. Selten war Upcycling so schön!
Auf die kleinen Präsentationen von William Fan und Horror Vacui folgte diejenige von Marcel Ostertag in der gigantischen Uber Eats Music Hall. Unter den geladenen Gästen befanden sich neben Vertreter*innen der Modebranche und zahlreichen Prominenten auch Privatpersonen. Der Erlös aus dem Ticketverkauf kam einem wohltätigen Zweck zugute.
Inklusion wurde auch auf dem Runway großgeschrieben: So schritten Models unterschiedlicher Herkunft, Altersgruppen und Körperformen über den Catwalk. Es habe sogar einige Laufsteg-Premieren gegeben, verriet Marcel Ostertag im Anschluss an die Show.
Neben der Diversität fiel die Tragbarkeit der gezeigten Mode auf. Er wolle "Mode für alle, Mode, die tragbar ist" machen, betont Ostertag im Interview. Seine Kleidungsstücke seien zwar besonders, aber nicht zu außergewöhnlich. "Sonst bleiben sie nur zu Hause im Schrank hängen", weiß der Designer aus eigener Erfahrung. Und das passt nicht zu seinen Vorstellungen von Nachhaltigkeit. Er möge "Mode mit Substanz". Von "Trends, die kommen und gehen" halte er nicht viel. Um möglichst lange Freude zu schenken, ohne die Umwelt unnötig zu belasten, seien seine Entwürfe von den zeitlosen Siebzigerjahren inspiriert und aus nachhaltigen Materialien wie Rebuy-Fabrics oder recyceltem Polyester in Deutschland, Polen und Italien hergestellt.
Marcel Ostertag begrüßt die Nachhaltigkeitsvorschriften der Berlin Fashion Week, sieht bei der Organisation im Allgemeinen allerdings noch Luft nach oben. Er wünscht sich neben "Ausschreibungen für junge Marken", auch "spannende Angebote, um größere Marken zurückzuholen" und dass die Verantwortlichen "ihre Scheuklappen ablegen". "Da muss noch ein bisschen was getan werden, aber wir sind auf einem guten Weg", fasst der Modeschöpfer zusammen.
Für den emotionalsten Moment der Berliner Modewoche sorgte Kilian Kerner, dessen gleichnamiges Modelabel dieses Jahr seinen 20. Geburtstag feiert. Die, wie er selbst sagt, "sehr persönliche" "Herz über Kopf"-Kollektion fängt das Gefühl von Liebeskummer ein und beweist mit 54 selbstbewussten Looks: Am Ende wird alles gut.
Tränen gab es dennoch: Als ein sichtlich gerührter Kilian Kerner unter tosendem Applaus und rotem Konfettiregen auf dem Laufsteg erschien und nur ein leises "Danke" über die Lippen brachte, blieb kein Auge trocken. Selbst mein obercooler Sitznachbar im Lederoutfit wischte sich ein Tränchen unter der verspiegelten Sonnenbrille weg.
Die Freude steht Kilian Kerner beim Interview ins Gesicht geschrieben. "Ich bin stolz auf alles, was ich geschafft habe in den 20 Jahren", erzählt er strahlend. Entsprechend schwer fällt es ihm, einen konkreten Karrierehöhepunkt zu benennen. Es gäbe "so viele Highlights, dass man nicht eins herauspicken" könne. Dazu zählen Fashion Weeks und Shop-Eröffnungen im In- und Ausland, die Zusammenarbeit mit Tennislegende Steffi Graf oder das Treffen mit der britischen Modekritikerin Suzy Menkes.
Einen besonderen Stellenwert nimmt auch die Casting-Show "Germany’s next Topmodel", in der Kerner seit 2020 als Gastjuror mitwirkt, ein: "GNTM ist für mich nicht nur ein Fernsehformat, sondern etwas, das ich wirklich lebe, bei dem ich mit meiner Seele bin." Auf die Frage, ob er Heidi Klum auch künftig bei der Model-Suche unterstützen werde, antwortet er verschmitzt: "Ich gehe davon aus."
Apropos Zukunft: Hat jemand wie Kilian Kerner, der schon so viel erreicht hat, noch Träume? "Die erfüllen sich gerade alle", stellt der Designer zufrieden fest und führt aus: "Ich bin genau an dem Punkt in meinem Leben, an dem ich sein will und wünsche mir, dass alles so weiterläuft, wie es gerade ist." Gegen eine weitere Tenniskollektion hätte der begnadete Tennisspieler allerdings nichts. Die letzte, einst sein "großes Lebensziel", sei "schon zu lange her". Wir sind gespannt!
Obwohl Berlin im Schatten internationaler Modemetropolen wie Paris oder Mailand steht, hat sich mein Besuch der Fashion Week mehr als gelohnt. Einziger Wehmutstropfen: Aufgrund von Überschneidungen konnte ich mir nur einen Bruchteil aller Präsentationen anschauen. Ein altbekanntes Problem, unter dem insbesondere die Nachwuchstalente leiden. Denn viele Medienschaffende sind durch langjährige Kooperationen und Anzeigenkunden zu bestimmten Terminen verpflichtet. Kleine Marken mit geringem Budget, die umso mehr darauf angewiesen wären, bemerkt zu werden, haben das Nachsehen.
Als Gast bedeutet der straffe Zeitplan vor allem eines: Von einer Show zur nächsten hetzen. Gute Schuhe sind dabei ein Muss! An einem Tag legt man gut und gerne 10.000 Schritte zu Fuß zurück. Hinzu kommen etliche Kilometer mit öffentlichen Verkehrsmitteln.
Während man komplett overdressed in der überfüllten U-Bahn steht, unterhält man sich mit den anderen Besucher*innen übrigens nicht über teure Designertaschen, sondern über die nächstgelegenen Essens- und Toilettenmöglichkeiten. Der beste Beweis dafür, dass der Fashion-Week-Alltag weniger glamourös ist, als man ihn sich vorstellt.