Einmal eine Modewoche zu mitzuerleben, wünschen sich wohl die meisten Fashionistas. Auch ich träumte davon, mich mit gut gekleideten Menschen zu umgeben und die Trends der kommenden Saison vor allen anderen zu entdecken. Meine ersten Fashion Shows holten mich aber schnell auf den Boden der Tatsachen zurück und zeigten mir: Die Realität sieht oft anders und vor allem weniger glamourös aus, als sie in den sozialen Medien dargestellt wird. Fünf Beispiele:
Obwohl Inklusion auf dem Laufsteg erfreulicherweise immer größer geschrieben wird, wird beim Erstellen der Gästelisten nach wie vor stark selektioniert. Zwar bieten einige Designer*innen Tickets zum Kauf an, die meisten Einladungen gehen jedoch unter der Hand weg. Wer jetzt denkt, als Moderedakteur*in habe man einen Platz auf sicher, irrt sich. Gerade in Paris, Mailand oder New York ist die Nachfrage so groß, dass man kaum Chancen hat, akkreditiert zu werden. Selbst in Berlin muss man sich gelegentlich mit einem Stehplatz begnügen oder eine Absage einstecken.
Hat man eine der begehrten Einladungen ergattert, heißt das nicht automatisch, dass man die Show tatsächlich besuchen kann. Der Grund: Die Veranstaltungen finden nicht nacheinander am selben Ort, sondern teilweise zeitgleich und über die gesamte Stadt verteilt statt. Dadurch kommt es immer wieder zu Überschneidungen.
Um schnell von A nach B zu gelangen, haben Celebrities und einige Influencer*innen ihre eigenen Fahrer. Alle anderen quetschen sich overdressed in die überfüllten, öffentlichen Verkehrsmittel und hoffen, dass Bus, Bahn und Co. den Fahrplan einhalten und sie rechtzeitig ans Ziel bringen. Da dieses meist nicht unmittelbar neben einer Haltestelle liegt, sind bequeme Schuhe ebenso unverzichtbar wie ein Smartphone mit Navigations-App.
Wertvolle Zeit geht nicht nur mit Hin- und Herhetzen, sondern auch mit Warten verloren. Auch wenn die Gäste gebeten werden, sich rechtzeitig an der Location einzufinden, starten die Shows selten pünktlich. Das ist insbesondere bei den Präsentationen der Herbst/Winter-Kollektionen zwischen Januar und März ärgerlich. Warten bedeutet dann vor allem eines: In der Kälte stehen und frieren. Schließlich versteckt niemand sein liebevoll zusammengestelltes Outfit gerne unter einem langen Daunenmantel. Muss man auch nicht! Diese Winterlooks halten warm und sehen trotzdem stylisch aus.
Wenig erstaunlich, bleibt zwischen den eng getakteten Shows kaum Zeit, etwas zu essen. Wer ausgiebig frühstückt und Snacks für unterwegs mitnimmt, ist klar im Vorteil. Die meisten Handtaschen bieten allerdings maximal Platz für einen Energieriegel. Entsprechend groß ist die Freude, wenn die Labels Häppchen und Getränke offerieren. Kommt leider nur vereinzelt vor.
Was mich bei meiner ersten Modeschau am meisten überrascht hat: Kaum angefangen, ist sie schon wieder zu Ende. Abhängig von der Anzahl Looks, dauert eine Runway-Show in der Regel nur ein paar Minuten. Der Ablauf ist immer derselbe: Erst schreitet jedes Model einzeln über den Catwalk, anschließend folgt das Finale, in dem nochmals alle Looks gemeinsam präsentiert werden.
Eine wichtige Anmerkung zum Schluss: Trotz der erwähnten Punkte bin ich unglaublich dankbar, Fashion Weeks einen Teil meines Arbeitsalltags nennen zu dürfen. Selten fühle ich mich so inspiriert wie nach einem Trip nach Berlin oder Kopenhagen!