Schlechte Haut, Schlafstörungen, üble Laune und dick macht er auch noch: Zucker. Doch ist die süße Droge wirklich so gesundheitsschädlich, wie behauptet? Und wie sinnvoll ist Sugar Detox?
Zucker ist das neue Nikotin. Vor allem, seitdem Mediziner wie Robert Lustig von der University of California ihn als „Droge“ bezeichneten und Promis wie Kate Hudson ein besseres Leben ohne Zucker zelebrieren. Ihr ständiges Verlangen nach Süßem habe ihr gezeigt, dass sie abhängig sei, erklärte die Schauspielerin – nun verzichte sie. Weil radikales Weglassen aber nicht so leicht ist, hat sich ein neuer Trend etabliert: Sugar-Detox, der zeitweise Verzicht. Allein auf YouTube findet man 2,7 Millionen Clips dazu, und das Buch „Zuckerfrei – die 40 Tage-Challenge“ (Gräfe und Unzer) von Hannah Frey verkauft sich wie warme Schokocroissants. Ein paar Fakten:
Die Anhänger der Sugarfree-Bewegung sind überzeugt davon, dass Zucker dick und schlapp macht. Außerdem soll er Schlafstörungen, schlechte Haut und üble Laune verursachen. Ernährungsmediziner Professor Thomas Kurscheid aus Köln („Dein Körper belügt Dich!“, Südwest) vermutet, dass eher der mit dem Verzicht einhergehende Gewichtsverlust die Laune steigen lässt als der Zuckerverzicht selbst. Von einer Verbesserung des Energielevels ist er aber genauso überzeugt wie Autorin Hannah Frey.
Ein ausgewogener Blutzuckerspiegel verhindert nämlich die typische Müdigkeit nach kohlenhydratreichem Essen. Und wer zuckerfrei isst, ernährt sich in der Regel gesünder, davon profitieren die Verdauung und womöglich der Schlaf. Der größte Gewinner ist unser Geschmackssinn, er wird sensibler und kann überzuckerte Lebensmittel wieder identifizieren. Und darum geht es: den eigenen Verbrauch langfristig zu reduzieren, jeder Deutsche isst 31,9 Kilo Zucker im Jahr. Wer langfristig zu viel davon konsumiert, bekommt womöglich Diabetes Typ 2 und schädigt die Haut.
Fest steht: Zucker ist schlecht für die Haut. Durch einen hohen Insulinspiegel entstehen Mikro-Entzündungen, die das Kollagen angreifen und euch vorzeitig altern lassen. Erste Erkenntnisse lieferten Haut- und Augenuntersuchungen bei Diabetikern. Zucker verändert das Kollagen: „Es wird weniger elastisch und auch nicht mehr regelmäßig abgebaut und durch neues, jüngeres Kollagen ersetzt“, erklärt die Münchner Dermatologin Dr. Patricia Ogilvie.
Diese sogenannte Glykation führt langfristig zu einer Anhäufung alter Kollagenfasern, die anfällig für mechanische Verformungen sind – sprich: Man bekommt Falten. Und: „Die Glykation beeinflusst auch den Hautton, er wirkt weniger frisch, der glow of youth verschwindet“, sagt die Hautärztin. Allerdings verursacht Zucker weder Pickel noch Unreinheiten.
Die Lust auf Süßes ist angeboren. Im Laufe unserer Entwicklungsgeschichte haben wir gelernt, dass solche Lebensmittel nicht giftig sind und Energie liefern – und die brauchen wir auch: Allein das Gehirn benötigt 20 Prozent davon in Form von Traubenzucker. „Den stellt der Körper übrigens auch aus Fetten und anderen Nahrungsbestandteilen her“, sagt der Mediziner Thomas Kurscheid.
Prinzipiell ist Zucker also nicht schädlich, aber zu viel davon führt zu ständigem Heißhunger – weil der Zucker von Süßigkeiten ruck, zuck in die Blutbahn gelangt. Dadurch steigt der Blutzuckerspiegel rasant an und sinkt genauso schnell wieder. Die Folge: Man will immer mehr von dem Zeug. Im Gehirn aktiviert Zucker das Belohnungssystem: Der Botenstoff Dopamin wird freigesetzt und löst Wohlbefinden aus. Ein Teufelskreis, aber keine Sucht, sondern suchtähnliches Verhalten. Schließlich hat man beim Verzicht keine Entzugserscheinungen.
In dem Zusammenhang besonders interessant: Alles über basische Ernährung und wie basische Lebensmittel beim Abnehmen helfen können.
Oft sind wir uns nicht im Klaren darüber, wie viel Zucker wir nebenbei essen – weil er sich hinter vielen Namen versteckt. Allein 70 listet Hannah Frey in ihrem Buch auf. Sie rät, die Zutatenlisten von Lebensmitteln auf die Endungen -ose, -sirup, -dicksaft und -süße zu prüfen. Dabei merkt man schnell, dass man es mit einem echten Tarnkünstler zu tun hat. Sojamilch wird häufig mit Apfeldicksaft gesüßt und Naturjoghurt Zucker zugesetzt (pro 100 Gramm ein Teelöffel). Das Gleiche gilt für Salami, Krautsalat und getrocknete Früchte. Zucker soll den Geschmack und die Textur verbessern – und die Haltbarkeit erhöhen.
Beliebter Trick der Lebensmittelindustrie: Oft wird Zucker in kleinere Mengen alternativer Süßstoffe aufgeteilt. So enthält ein Produkt ein paar Gramm Glukose-Fruktose-Sirup, Invertzuckersirup, Dextrose und Agavendicksaft. Die landen dann auf den hinteren Plätzen der Zutatenliste, ergeben in der Summe aber eine Menge, die ganz vorn stehen müsste. Oder: Es wird die Zuckermenge einer Portionsgröße (z. B. bei Müsli) angegeben, die unrealistisch klein ist. Nicht zu vergessen: Auch Kohlenhydrate in Brot, Nudeln, Reis, Kartoffeln, Gemüse und Obst werden im Körper in Zucker aufgespalten. Deshalb sind Vollkornprodukte und Hülsenfrüchte besser als Weißmehl.
Wer für ein paar Wochen verzichten möchte, muss sich im Klaren sein: Am besten ist ein radikaler Cut von heute auf morgen, das gilt auch für künstliche Süßstoffe. Bewegung dämpft die Lust auf Süßes. Fruktosearmes Obst wie Beeren oder Nüsse sind gute Alternativen, Zuckerersatzstoffe wie Xylit und Stevia dagegen problematisch. „Weil sie keine Kalorien enthalten, erscheinen sie zunächst ideal“, sagt Ernährungsexperte Thomas Kurscheid, doch auch sie können eine höhere Insulinausschüttung und Hunger auslösen.
Wer nicht ganz verzichten kann, steigt zumindest auf Honig, Agavendicksaft, Ahornsirup oder Melasse um. Sie sind zwar nicht gesünder, haben aber einen intensiveren Eigengeschmack – auf die Dauer braucht man davon weniger. Hannah Frey empfiehlt zudem Kokosblütenzucker und Reissirup als Alternativen, weil sie langsamer ins Blut gelangen als normaler Zucker. Und statt gesüßter Getränke einfach Wasser mit frischen Kräutern wie Minze oder Zitrone, Ingwer und Fruchtstückchen aufpeppen.
Und auch unserem Darm tun wir mit Zuckerverzicht etwas Gutes. Mehr dazu hier: Schlank mit Darm