Wer rechtzeitig auf gesundes Essen setzt, kann viele Pillen später links liegen lassen, denn die richtige Ernährung kann tatsächlich Krankheiten verhindern.
Jeanne Louise Calment führte ein schönes Leben im südfranzösischen Arles: Sie hatte Familie, spielte Tennis und Klavier, besuchte die Oper. Mit 85 Jahren fing sie mit Fechten an, als 100-Jährige fuhr sie noch regelmäßig Rad. Sie rauchte und ging nie zum Arzt, weil sie sich kerngesund fühlte. Im Sommer 1997 starb sie – mit 122 Jahren. Das Geheimnis ihres hohen Alters und ihrer blühenden Gesundheit? Olivenöl, Knoblauch, Gemüse und Portwein, wie sie sagte. Tja, und wahrscheinlich hatte Madame auch gute Gene. Denn schließlich sind es die Gene, die unsere Existenz steuern – Charakter, Gesundheit, Lebenserwartung. Oder?
Zu glauben, nur die DNA entscheide, warum eine von drei Schwestern Alzheimer bekommt und die anderen beiden nicht, ist falsch, schreibt Peter Spork in seinem klugen Buch "Der zweite Code" (Rowohlt). Darin beschäftigt sich der Neurobiologe mit der Frage, ob und wie wir unser Erbgut durch unseren Lebenswandel beeinflussen können. Es geht um eine relativ neue Wissenschaft, die Epigenetik, die auf der Erkenntnis beruht: Gene stehen in regem Austausch mit der Umwelt, sie reagieren auf unsere Verhaltensweisen, das individuelle Stresslevel. Und auf die Ernährung. "Was Sie heute Mittag gegessen haben, hat irgendwie seinen Weg zu Ihrem Erbgut gefunden", hat Rudolf Jaenisch, einer der renommiertesten Stammzellforscher, 2009 in einem Interview gesagt und ergänzte: "Wir wissen nur noch nicht wie." Inzwischen ist die Forschung weiter. Dass zum Beispiel Hamburger und Pommes auf Dauer nicht nur dick machen, sondern auch das Darmkrebsrisiko erhöhen, ist mittlerweile belegt. Je mehr solche Fakten bekannt werden, desto mehr achten Menschen darauf, was sie essen. Wie Bill Clinton. Der ehemalige US-Präsident, der sich 2004 einer Bypass-OP unterziehen musste, ernährt sich seit Jahren vegan, verzichtet auf Fleisch, Milch und Eier. Er hat über zehn Kilo abgenommen und fühlt sich gut. Aber die richtige Ernährung kann noch mehr.
Das Deutsche Institut für Ernährungsforschung fragt: Unterscheidet sich das Krebsrisiko von Menschen, die sich unterschiedlich ernähren? Und wenn ja: Lässt sich die Wahrscheinlichkeit, an bestimmten Krebsarten zu erkranken, durch ein besseres Essverhalten verringern? Die Antwort von Onkologen: Ja. Und zwar nicht nur bei Magen-Darm- Krebs. "Auch für Brustkrebs, Prostataund Speicheldrüsenkrebs scheint das so zu sein", bestätigt Otmar Wiestler, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ). Zu viel Fleisch und zu viel Salz sind laut diesem Institut für fast zehn Prozent aller Krebsfälle verantwortlich. Experten empfehlen deshalb, man ahnt es, eine ballaststoffreiche Ernährung, viel Obst und Gemüse. Die darin enthaltenen sekundären Pflanzenstoffe wie Carotinoide (in grünblättrigem Gemüse) oder Proteaseinhibitoren (Hülsenfrüchte, Nüsse) senken die Gefahr von bösartigen Tumoren sowie von Leber- und Nierenerkrankungen. Auch ein Grund, weshalb Fachleute immer noch so gern die mediterrane Küche propagieren, wo eben wenig rotes Fleisch, viel Obst, viel Gemüse, Fisch, pflanzliche Fette wie in Olivenöl oder Nüssen gegessen wird. Eine seit 2003 laufende Studie der Universität Pamplona mit über 7000 Teilnehmern ergab kürzlich: Probanden, die sich an die Mittelmeerkost hielten, erlitten seltener Schlaganfälle oder Herzinfarkte. Im Vergleich zur Kontrollgruppe, die sich "nur" fettarm ernährte, konnte das Risiko um 30 Prozent gesenkt werden.
Was wir essen, wirkt sich aber nicht nur auf den Organismus aus, sondern auch auf unsere mentalen Fähigkeiten. Wer sein Gehirn auf Trab halten will, sollte es mit den richtigen Zutaten füttern. Hilfreich für eine rasche Auffassungsgabe: Mikronährstoffe wie B-Vitamine, die in grünem Gemüse, Vollkornprodukten, Hülsenfrüchten, Fisch und Milcherzeugnissen vorkommen. Vor allem B1, B6, B12 und Folsäure sind wichtig für die Bildung von Nervenzellen. Und: Kopfarbeiter brauchen komplexe Kohlenhydrate. Wer morgens Vollkornprodukte frühstückt, kann sich besser konzentrieren, hat Ernährungswissenschaftlerin Anne Nilsson von der schwedischen Universität Lund herausgefunden. Der Blutzuckerspiegel bleibt konstant, der Serotoninspiegel steigt und sorgt für Ausgeglichenheit. Gute Laune durch gutes Essen. Aber Neurowissenschaftler empfehlen, selbst hochwertige Getreideprodukte aus Vollkorn oder Mehrkorn nur in Maßen zu genießen.
Unter Medizinern wird diese Frage gerade heiß diskutiert. Es scheint einen Zusammenhang zu geben zwischen einer kohlenhydratreichen Ernährung und Krankheiten, bei denen das Gehirn betroffen ist – Depressionen, Migräne, Epilepsie, Alzheimer. Die Hauptübeltäter seien Zucker und Weizen. In "Dumm wie Brot" (Mosaik) beschreibt der US-Neurologe und Ernährungsmediziner David Perlmutter, wie Pasta, Pizza und Süßkram in den Hirnstoffwechsel eingreifen und den grauen Zellen zusetzen – je mehr, desto schlimmer. Mit Vollkornnudeln und Dinkelbrötchen ist man leider nicht auf der sicheren Seite. Vor allem wenn man zu viel davon isst. Und das tun die meisten: Kohlenhydrate (gute und schlechte) machen rund 60 Prozent unserer Ernährung aus.
Neurologen raten deshalb zum Prinzip Low Carb (siehe auch Eiweiss Diät und eiweißhaltige Lebensmittel). Dabei schaltet der Organismus in den Ketose-Modus um: Die Leber verwandelt Fettzellen in Ketonkörper, die wiederum vor allem Muskeln und Gehirn mit Energie versorgen. Denselben Effekt erzielt man übrigens mit Fasten. Forscher berichten, dass die Methode Zellen jung hält und entzündliche Prozesse im Körper bekämpft. Wer weder aufs Frühstücksmüsli noch auf regelmäßiges Essen verzichten will, sollte wenigstens versuchen, Kalorien einzusparen. In einer Studie der Universität Münster verbesserte sich die Gedächtnisleistung älterer Menschen dadurch deutlich. In den USA gibt es bereits eine "Gesellschaft zur optimalen kalorienreduzierten Ernährung", begleitet von einem Forscherteam, das feststellte: Auch Cholesterin-, Körperfett- und Blutdruckwerte profitieren von weniger Kalorien. Gleichzeitig schmelzen Fettdepots – ein wichtiger Schritt zur Prävention von Demenz, chronischen Lungenerkrankungen oder Krebs.
In Japan sind nur drei Prozent der Bevölkerung gesundheitsgefährdend übergewichtig, es ist das Land mit der höchsten Lebenserwartung weltweit. 82 Jahre alt werden Japaner im Schnitt. Experten führen das unter anderem auf die Ernährung zurück. Auf den Tisch kommen Sojaprodukte und viel Gemüse, das reich an sekundären Pflanzenstoffen ist. Krebsforscher aus den USA konnten beweisen, dass die in Sojabohnen enthaltene Verbindung Genistein die Genaktivität von Zellen verändern und das Tumorrisiko senken kann. Auch bei den Gewürzen machen Japaner fast alles richtig: Statt Salz verwenden sie Chili, Ingwer und Kurkuma, die entzündungshemmend und antioxidativ wirken. Aber vor allem essen sie regelmäßig Fisch, der einen hohen Omega-3-Gehalt hat. Die Fettsäuren stärken das Herz-Kreislauf-System. 70 Kilo frischen Fisch verzehrt jeder Japaner pro Jahr. Deutsche kommen durchschnittlich auf gerade mal 15 Kilo. Alternativ greifen viele zu Fischölkapseln. Doch deren Nutzen ist nicht belegt, manche Ärzte warnen sogar davor. Empfohlen wird zweimal pro Woche frischer Fisch – auch weil Omega-3-Fettsäuren die schädliche Wirkung von zu viel Omega-6-Säuren reduzieren.
Omega-6 steckt praktisch in allem, was wir zu uns nehmen: Wurst, Eier, Margarine, Sonnenblumenöl. Dieses "böse" Fett, das sich in den Zellen festsetzt, bilde den Nährboden, auf dem sich Demenz, Krebs und viele andere Krankheiten entwickeln können, sagt Garry Egger, Lebensstil-Mediziner an der Universität Lismore, Australien.
Weniger Kalorien: Davon profitieren Cholesterin und Blutdruckwerte
Denn Fettpolster lösen eine Reihe von Stoffwechselreaktionen aus, die zu vielen kleinen Entzündungen im Körper führen, die sich im Lauf der Zeit summieren. Mit einer Ernährungsumstellung lässt sich der Prozess zumindest teilweise rückgängig machen.
In Deutschland bieten diverse Institute neuerdings Gen-Stoffwechsel-Analysen an. Angeblich kann man damit das persönliche Risiko für bestimmte Erkrankungen und Veranlagungen berechnen lassen: Übergewicht, Diabetes, Krebs. Ziel ist ein personalisierter Ernährungsplan. Die Empfehlungen, die man am Ende erhält: mehr Obst, Gemüse, Milchprodukte, mageres Fleisch und Fisch. Weiß man ja alles, dafür braucht man eigentlich nicht mehrere hundert Euro auszugeben. Ein paar Klicks auf den Seiten der Deutschen Gesellschaft für Ernährung tun’s auch. Interessanter sind da die Erkenntnisse der australisch-amerikanischen Wissenschaftlerin Elizabeth Blackburn, die seit über 30 Jahren Alterungsprozesse auf Zellebene untersucht. 2009 erhielt sie zusammen mit Kollegen den Medizin- Nobelpreis für die Entdeckung eines lebensnotwendigen Enzyms, das den Alterungsprozess verlangsamen kann: Telomerase. Das Enzym ist zwar in allen Zellen vorhanden, bleibt aber meistens inaktiv. Die Folge: Die Zelle stirbt, und mit der Zeit fehlt dem Organismus die Kraft, sich zu erneuern. In einem Interview betonte die Molekularbiologin, dass die Studien noch ganz am Anfang stünden, aber eines könne man jetzt schon sagen: "Menschen, die sich mehr bewegen und besser schlafen, haben längere Telomere." Könnte auch die Ernährung beim Altern eine Rolle spielen? Kein Mensch verstehe, wie zum Beispiel die angeblich so supergesunden Polyphenole in Rotwein und grünem Tee tatsächlich wirken, sagt Elizabeth Blackburn. "Sparsam mit Zucker umzugehen ist bestimmt sinnvoll. Aber die Lebensqualität zählt für mich auch." Die Frau hat recht. Was auch immer die Zukunft an Erkenntnissen zum Thema Ernährung bringt: Essen und Trinken soll Spaß machen – denn wer schlecht gelaunt durchs Leben geht, tut sich und seinen Genen garantiert nichts Gutes.
Mit Kurkuma würzen. In China und Indien ist Gelbwurz fester Bestandteil der regionalen Küche. Ob es dort deshalb weniger Demenzfälle gibt? Fakt ist: Der Inhaltsstoff Kurkumin erhöht im Körper den Wachstumsfaktor BDNF (Brain-Derived Neurotrophic Factor) – ein Protein, das bestehende Nervenzellen schützt und neue wachsen lässt. Zudem kann ein Tee aus frischem Kurkuma auch Sodbrennen lindern. Wer Kurkuma nicht im Supermarkt bekommt: Meist steckt es als Farbstoff in Currypulver.
Low Carb-Tage einlegen. Ketogene Ernährung (extrem kohlenhydratarme Kost) hemmt laut einer Studie der Berliner Charité die Entstehung freier Radikaler, die am Alterungsprozess beteiligt sind. Außerdem steigen Konzentration und körperliche Belastbarkeit beim Verzicht auf Brot, Reis und Co. Wer gesund ist, sollte natürlich nicht dauerhaft auf Kohlenhydrate verzichten, aber hin und wieder etwas Low Carb tut fast jedem gut.
Kokosöl verwenden. Es wirkt antibakteriell, stärkt das Immunsystem und enthält viel B-Vitamine und Selen. Kokosöl ist extrem hitzebeständig, kann in der Küche also bei hohen Temperaturen eingesetzt werden, weil es – anders als die meisten anderen Öle, die so in der Küche rumstehen – keine gesundheitsschädlichen Transfette bildet. Wichtig: Unbedingt Kokosöl verwenden und nicht das im Handel gebräuchliche industriell gehärtete Kokosfett.
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Chia-Samen ausprobieren. Inzwischen werden die Samen aus Südamerika als Superfood gefeiert. Neben vielen Ballaststoffen enthalten sie acht essenzielle Aminosäuren, die der Körper nicht selbst bilden kann. Außerdem stecken darin Omega-3- und Omega- 6-Fettsäuren im Verhältnis 3:1, was als optimal gilt. Wer auf heimisches Superfood setzen will, kann statt Chia-Samen Leinsamen verwenden.
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