Wir dachten schon, sie seien nur ein Phantom: Männer, die wegen ihrer Kinder beruflich kürzertreten. Drei Herren berichten, wie sie Familie und Karriere erfolgreich unter einen Hut bekommen.
Als Angelo vor 3 Jahren Vater wurde, krempelte er sein Leben komplett um. Der Pädagoge hatte an einer Berufsschule unterrichtet, dann wagte er den Sprung in die Selbstständigkeit. Zusammen mit seiner Lebensgefährtin Deborah gründete er in Berlin die mobile Druckerei „Druckrausch“.
„Wir wollten keine 50-Stunden-Woche“, erzählt der 33-Jährige, „sondern etwas, was uns Spaß macht, aber gleichzeitig ermöglicht, uns so viel wie möglich um unser Kind zu kümmern.“ Also schrieben sie Business-Pläne, besuchten Fortbildungen und zogen Darlehen an Land. Und ihre Tochter Lotte? „War immer dabei.“
Name: Angelo Januschew, 33
Beruf: Gründer von „Druckrausch“, einer mobilen Druckerei
Sagt: „Zeit ist mir wichtiger als Geld.“
Auch der Kunst-Historiker Konstantin, 36, änderte vor 7 Jahren sein Leben. Er wusste immer, dass er mehrere Kinder haben würde. „Ich bin mit dem Bewusstsein aufgewachsen, wie schön es ist, Geschwister zu haben.“ Als 2007 die erste Tochter geboren wurde, war er Student und konnte seine Zeit gut einteilen. Für seinen Sohn 3 Jahre später nahm er ein Jahr Elternzeit, während seine Frau in ihren Job im Öffentlichen Dienst zurückkehrte. Als vor 5 Monaten wieder eine Tochter geboren wurde, war klar: Er würde sich intensiv um den Säugling kümmern.
Menschen bekommen Kinder, haben Jobs und arrangieren sich damit. Alles ganz normal – wenn es sich nicht um Männer handeln würde. Bei Müttern gilt es noch immer als selbstverständlich, dass sie nach der Geburt ihrer Kinder beruflich zurückstecken. Aber bei Vätern? Nach wie vor sind sie meistens diejenigen, die das Geld ranschaffen (das zeigte kürzlich wieder eine internationale Studie). Während die Frauen zu Hause bei den Kindern bleiben und allenfalls mit einem Teilzeit-Job dazuverdienen.
Doch immer mehr Väter scheren ganz bewusst aus diesem Rollen-Modell aus. Weil es ihnen nicht genügt, als Feierabend-Daddy dem Nachwuchs vor dem Einschlafen noch mal schnell über den Kopf zu streichen. Sie wollen am Alltag ihrer Kinder teilhaben, mit ihnen zum Arzt oder auf den Spielplatz gehen. Auch wenn sich die Verhältnisse nicht von heute auf morgen umkrempeln lassen, die Zeichen stehen auf Veränderung. Für viele Väter ist es mittlerweile selbstverständlich, auch mal bei ihrem kranken Kind zu Hause zu bleiben. In vielen Familien wird über Gleichberechtigung nicht mehr bloß diskutiert, sie wird gelebt. Die neuen Väter sind keine Ausnahmen mehr, sie sind endlich da!
Name: Konstantin Manthey, 36
Beruf: Projektleiter
Sagt: „Ich wollte immer eine große Familie.“
Das Elterngeld ist nicht der einzige Grund dafür. Zwar entscheiden sich mittlerweile fast 4 von 5 Vätern (79 %) dafür, eine Weile beim Kind zu bleiben. Allerdings nehmen die meisten nur 2 Monate. Ein Anfang. Aber – seien wir ehrlich – es genügt nicht, um im Leben der Kinder dauerhaft präsent zu sein. So ist Geld auch nicht ausschlaggebend für Männer, die mehr für ihre Kinder da sein möchten. Der 32-jährige Tobias schreibt auf „Johnny's Papa-Blog“ über sein Leben als engagierter Vater. Seine Partnerin ist fest angestellt. Was er sagt, gilt für viele Paare: „Wir wussten, dass es finanziell schwer werden würde. Aber ich genieße die Zeit mit meiner Tochter, da schränken wir uns gern ein.“
Ein Thema ist der Kontostand natürlich trotzdem. In der Familie von Kunst-Historiker Konstantin hat sich die Situation deswegen gerade verschoben. Er arbeitet wieder voll als Projektleiter, während seine Frau in Elternzeit gegangen ist und plant, sich danach beruflich neu zu orientieren. „Obwohl ich flexible Arbeitszeiten und Home-Office-Tage habe, bin ich zu Hause im Moment etwas weniger involviert als früher“, sagt er. Und man merkt, dass ihm das nicht leichtfällt.
„Ich empfinde das Vatersein als große Bereicherung.“
Man(n) braucht Kreativität, Organisationstalent und vor allem die Bereitschaft, sich einen passenden Job zu suchen. Sich mit der Frau abzuwechseln in Sachen Kind und Karriere, oder aber, wie Angelo, den Mut, gleich als Gründer zu starten, um zeitlich flexibel zu sein. Doch entspannt ist die Situation seiner Familie nicht: Weil Lotte mit einer Fußfehlstellung geboren wurde, muss sie zur Physio-Therapie, seine Partnerin und er haben zusätzliche Jobs. Sie als Grafikerin, er in einem Drogerie-Markt und als Schulhelfer. „Wenn ich kinderlose Freunde treffe, mit denen ich früher um die Häuser gezogen bin, staune ich jedes Mal, wie viel Zeit sie haben“, erzählt Angelo. Tauschen möchte er nicht: „Ja, mein Radius ist kleiner geworden und mein Alltag ist durchgetaktet. Aber ich empfinde das Vatersein als große Bereicherung.“ Früher seien kleine Kinder für ihn unbekannte Wesen gewesen. „Jetzt habe ich eine enge Beziehung zu ihnen und weiß, wie ich ihnen auf Augenhöhe begegnen kann.“
Kinder sind Karrierehemmer – ein weiteres gängiges Vorurteil. Es hält viele Männer, aber auch Frauen, davon ab, im Job kürzerzutreten. Und, ja, früher war es normal, dass Angestellte von ihren Chefs zu hören bekamen: Wenn Sie jetzt wegbleiben, wird es nichts mit der Beförderung. Heute hingegen haben viele Unternehmen erkannt, dass Familien-Freundlichkeit ein großes Plus ist – nicht zuletzt, weil sie damit auch für Männer als Arbeitgeber attraktiver werden.
So gibt es zum Beispiel bei der Commerzbank verschiedene Teilzeit-Modelle, aus denen die Mitarbeiter wählen können. Michael ist einer von ihnen. Er arbeitet seit 15 Jahren bei der Bank, seit 5 Jahren ist er Portfolio-Manager in Frankfurt. Er hat seine Arbeitszeit auf 80 % reduziert. Zunächst, weil er einen freien Tag dafür nutzen wollte, Kindern Klavier-Unterricht zu geben. Doch nach der Geburt seiner Tochter vor 2 Jahren blieb er dabei. „Ich möchte Sina dabei begleiten, die Welt zu entdecken“, sagt er und wirkt dabei ziemlich zufrieden. Montags ist bei ihm jetzt immer Papa-Tochter-Tag. Sie machen Waldspaziergänge, gehen schwimmen oder in den Zoo. Die Reaktionen darauf, erzählt der 36-Jährige, seien gemischt. „Frauen sind meistens begeistert, Männer auch mal skeptisch.“ Seine Eltern hätten ihn gefragt, ob er sich das im Hinblick auf seine Karriere gut überlegt habe. „Die ältere Generation sieht das teilweise noch aus einer anderen Perspektive“, sagt Michael.
Name: Michael Heil, 36
Beruf: Manager bei der Commerzbank
Sagt: „Sich um Kinder zu kümmern ist kein Karrierekiller.“
Angst, beruflich auf dem Abstellgleis zu landen, hat der Manager nicht. Im Gegenteil. Allerdings, gibt er zu bedenken, sähe seine Lage ohne die Unterstützung von Vorgesetzten und Kollegen anders aus. Im Übrigen habe seine neue Rolle als Vater auch für seine Arbeit Vorteile: „Ich arbeite strukturierter und bin gelassener als früher“, sagt er und grinst. „Auch Multitasking fällt mir leichter, das ist ja keine typisch männliche Stärke.“ Eine Erfahrung, die alle Väter sammeln. Wer sich viel mit seinem Kind beschäftigt, lernt Verantwortung zu übernehmen und entwickelt sich nebenbei auch sonst weiter – ohne kostspielige Fortbildungen.
So unterschiedlich die Biografien und Bedürfnisse sind, so unterschiedlich sind die Strategien der neuen Väter, ihr Leben mit Kindern zu gestalten. Was sich daraus ablesen lässt? Dass es kein fest gefügtes Bild mehr gibt, wie Familien in der heutigen Zeit auszusehen haben. Dass Männer viel beweglicher sind, als allgemein angenommen wird. Und Geschlechterrollen nicht mehr in Stein gemeißelt sind. Kurz: Wir sind auf dem besten Weg in eine Gesellschaft, in der alle zu ihrem Recht kommen: Frauen, Männer, Kinder. Weil Familie ein herrliches und manchmal auch chaotisches Abenteuer ist, das es sich zu wagen lohnt. Umso mehr, wenn alle mitmachen.
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