Feminismus – was ist das eigentlich genau? Es ist nicht mal drei Jahre her, da hatte ich selbst absolut keine Ahnung, was das eigentlich genau bedeutet, hielt Gendern in der Sprache für unnötig und lächelte unangenehme Sprüche fremder oder auch mir bekannter Männer einfach weg. Heute erkenne ich sie als das, was sie sind: sexistische Kommentare, sexuelle Belästigung und strukturelle Probleme geschaffen durch das Patriarchat. Klingt erstmal heftig – und: ist es auch! Statt alles, was nervt, zu ignorieren, besitze ich heute die Werkzeuge, diese Ungerechtigkeiten anzuklagen und ihnen entgegenzuwirken. Ich habe mich fortgebildet und ich wurde fortgebildet. Unzählige Gespräche mit inspirierenden und geduldigen Frauen und das Konsumieren entsprechender Medienangebote haben mich ermutigt und mit den entsprechenden Waffen ausgestattet: mit Wissen und Worten nämlich. Da ich Euch allen meine großartigen Freundinnen leider nicht nach Hause schicken kann, sind es heute 10 Medientipps, die ich Euch gern an die Hand geben möchte – mögen sie Euch ganz genau so mitreißen und bestärken.
Dieses war das allererste Buch dazu, an das ich mich herangetraut habe. Der Auftakt also, die Worte, die bei mir den Stein ins Rollen gebracht haben. Von grundlegenden Argumentationen wie: "Leute fangen an, am Begriff 'Feminismus' rumzunörgeln, bevor wir zwei inhaltliche Sätze gewechselt haben. Sie sagen: Nennt es doch Humanismus. Als wäre damit irgendwas klarer. Es reicht dann oft, zu fragen, welche Definition von Humanismus sie denn haben außer der, dass es 'irgendwie um Menschen' geht. Meistens haben sie keine. Aber es stört sie. Sie denken, Feminismus heißt, dass alles für Frauen besser werden soll und für Männer nicht oder dass Frauen generell die besseren Menschen sind. Als ob es nur um Frauen geht. Entschuldigung, aber geht es bei der 'Anti-Atom-Bewegung' nur um Atome oder 'gegen Atome'? Macht auch nur ein Mensch auf der Welt bei der Anti-Atom-Bewegung nicht mit, weil der Name die Sache nicht richtig darstellt? Der Name ist komplett irreführend, denn es geht der Bewegung ja nicht darum, Atome abzuschaffen, sondern die Nutzung von Atomkraft, aber sagt irgendwer 'Ich gehe nicht zur Anti-Atom-Demo, weil ich selbst aus Atomen bestehe?' Eben." ("Untenrum frei" S. 199), über Körperbehaarung bis hin zur Erläuterung, wann sexuelle Belästigung wirklich anfängt, führt Margarete Stokowski, Kolumnistin aus Berlin, sanft, aber mit der nötigen Dringlichkeit und vor allem unglaublich intelligent an das Thema heran.
Um nur einige der Serien zu nennen, die mir auch nach meinen ersten Berührungspunkten mit dem Thema Feminismus noch Spaß gemacht haben. Während "Sex and the City" in den 90er Jahren fortschrittlich war, bereiten mir manche Tipps von Carrie und ihren Freundinnen heute einfach nur noch Kopfschmerzen. Neuen Produktionen gelingt es, weiblich Hauptrollen divers zu besetzen, durch eine kritische Auseinandersetzung Misogynie oder Abtreibung zu thematisieren und uns zu bestärken, anstatt noch mehr Unsicherheiten und Stereotypen zu reproduzieren.
Befasst sich mit dem, was als "das weibliche Geschlechtsorgan" bezeichnet wird. Was ist das überhaupt? Und warum verbindet die Menschheit eine so extreme unentspannte, borderline-mäßige Hassliebe mit diesem Körperteil? "Aus griechischer Antike, Steinzeitfrauen, Sigmund Freud, John Harvey Kellogg, Dornröschen, hinduistische Göttinnen, zeitgenössischen Rapper und Biologiebüchern legt Liv Strömqvist ein buntes Mosaik dieses Organs, das Gustave Courbet als den 'Ursprung der Welt' bezeichnete." (Zitat Klappentext). Seit Monaten lag der Comic auf meinem Stapel ungelesener Bücher, bis ich erst letzte Woche endlich danach griff. Anders als erwartet, hatte mich der Comic ab Seite 1 in seinen Bann gezogen, mich staunen, ekeln und lauthals lachen lassen. Liv Strömquist gelingt es humorvoll die Ernsthaftigkeit, Realität sowie die Ambivalenz der Grausamkeiten der Geschichte und Gegenwart gegenüber dem weiblichen Geschlechtsorgan, der Vulva abzubilden.
Als ich nach einem halben Jahr jede Spaziergangstrecke im Umkreis von 5km meiner Wohnung auswendig kannte, entschied ich mich dazu wieder auf Hörbücher zurückzugreifen. Diese beiden von Laetitia Colombani haben es ein Leichtes werden lassen, täglich 10.000 Schritte zu gehen. Beide Romane arbeiten auf eine so besondere, zarte, starke Art und Weise Ungerechtigkeiten und Schmerz auf.
Ich muss hier nicht viel dazu sagen, oder? Unbedingt lesen, falls ihr das nicht schon getan habt. Michelle Obama gibt intime Einblicke, was sie aufgab, um den ihren Mann beim Verwirklichen seines Traums zu unterstützen und wie es ihr trotzdem gelang, sich selbst nicht aufzugeben.
Statt Unklarheiten darüber, wer von wem inspiriert wurde, zu analysieren, möchte ich Euch dazu ermutigen, beide Bücher zu lesen, die sich gleichermaßen wie ein empowernder Song oder ein Pep Talk der besten Freundin anfühlen. Und davon können wir doch gar nicht genug haben, oder? Das Beenden einer toxischen Beziehung, das Lieben des eigenen Körpers, das Erkennen und Kommunizieren eigener Bedürfnisse - all das scheint nach dem Lesen ein klein bisschen einfacher. Sehr ermutigend machen beide Bücher einfach richtig viel Spaß!
Dieses Buch, das ich an nur zwei Nachmittagen durchgelesen hatte, ist ganz generell eine große Leseempfehlung. Im heutigen Kontext möchte ich euch aber vor allem den Essay "Sex" von Reyhan Şahin ans Herz legen. Während ich die Seiten gelesen habe, musste ich grinsen und fünf Minuten durchgehend nicken. Zwei Dinge für die Reyhan ganz klare Worte findet. 1.Feminismus muss immer intersektional gedacht werden. "Menschen können aufgrund ihres Geschlechts, ihres ethnischen Backrounds oder ihres Aussehens rassifiziert und ausgegrenzt werden – manchmal fällt eben alles zusammen. So zum Beispiel, wenn eine kopftuchtragende Muslimin in einer nicht muslimischen Mehrheitsgesellschaft nicht nur aufgrund ihres ethnischen Backrounds (etwa Türkin, Kundin, Araberin) und ihrer religiösen Zugehörigkeit (sichtbar unter anderem an ihrem Kopftuch) ausgegrenzt und/oder diskriminiert wird, sondern zusätzlich aufgrund ihres weiblichen Geschlechts. Eventuell erfährt sie innerhalb der jeweiligen muslimischen Community erneut Ausgrenzung aufgrund ihres modischen bis freizügigen Kopftuchstils." ("Eure Heimat ist unser Albtraum", S. 162) und 2. Wieso es so wichtig ist, dass Frauen über ihre Sexualität und ihr Geschlechtsorgan sprechen dürfen und sollten, wie sie wollen: "Immer noch wird der zurechtgemachten, geschminkten und modisch gekleideten Frau im universitären Umfeld wissenschaftliche Kompetenz abgesprochen. […] Im Fall des Female Sexspeech scheint eine Extremform des Auseinanderklaffens vorzuliegen, ähnlich wie bei weit auseinandergespreizten Beinen, die die squirrtende Muschi entblößen. Vor allem irritiert es die Leute, wenn noch weitere Eigenschaften der durch das Sex-Stigma diskreditierten Person hinzukommen, die sie nicht miteinander vereinen können, wie zum Beispiel ein seriöser Beruf, ein besonderes Hobby, die Herkunft. Plus Sex, Sex, Sex! Da drehen sie völlig ab. Denn das passt für sie alles einfach nicht zusammen!" ("Eure Heimat ist unser Albtraum", S. 162f.)
Der Klappentext fasst zusammen, worum es Mely Kiyak auf 128 Seiten geht: "Was ist Weiblichkeit, wenn man den öffentlichen Blick überwindet und zurückbleibt mit sich selbst?" Für alle, die nicht so gern lesen oder erstmal wieder reinkommen wollen, ist dieses Buch ein perfekter Einstieg. Wenige Seiten, die ganz viel Inspiration und Denkanstöße bereithalten und damit Lust machen auf mehr.
Dieser Account, geführt und gepflegt von tollen jungen Frauen hier aus Berlin (gibt es aber auch für viele andere deutsche und internationale Städte, sucht einfach mal nach @catcallsof …) macht darauf aufmerksam, wann sexuelle Belästigung anfängt und wie oft sie passiert. Seximus #anzukreiden nimmt die Initiative ganz wörtlich und verschriftlicht die Anmachen Belästigungen mit Kreide auf der Straße genau an den Orten, wo sie ausgesprochen wurden. Klickt euch rein und macht mit!
Ganz zum Schluss möchte ich euch noch eine weitere Netflix-Serie empfehlen. Achtung Triggerwarnung: Schaut euch diese Serie bitte nur an, wenn ihr euch stabil fühlt, schaltet gegebenenfalls ab und/oder schaut die Serie gemeinsam mit anderen. Die US-amerikanische Miniserie ist eine True-Crime-Produktion, arbeitet also einen tatsächlich passierten Fall auf. Es geht um sexuelle Gewalt und Traumata, es geht darum, was passiert, wenn Betroffenen nicht geglaubt wird und um Fehler bei der Ermittlung. Unglaublich, aber wahr.
Los gehts! Jetzt gibt’s keine Ausreden mehr – gebt dem Thema einen Raum in Eurem Leben. Das ist nicht nur gesellschaftlich enorm wichtig, sondern auch für Dich persönlich ungemein bereichernd. Versprochen! Die Bücher findet ihr sicherlich gebraucht, einen Zugang zu Streamingplattformen kann man sich wunderbar mit Freund*innen teilen. Genau wie man das auch mit Wissen machen sollte – tragt es fleißig weiter, okay?
Authorin: Luise Morgeneyer