Sie backen Kuchen, kümmern sich um die Kinder, putzen das Bad, bleiben zuhause. Mit einem zufriedenen Lächeln zeigt sich die sogenannte Tradwife auf Social Media als die perfekte Hausfrau und Mutter und propagiert damit ein Frauenbild, das für viele in die Vergangenheit gehört. Was es mit den Tradwives auf sich hat, erfährst du hier.
Der Begriff "Tradwife" kommt aus dem Englischen und beschreibt Frauen, die bewusst ein traditionelles Rollenmodell annehmen, in dem der Mann als Ernährer und die Frau als Hausfrau fungiert. Viele Tradwives präsentieren diesen Lebensstil als Ausdruck von weiblicher Selbstverwirklichung und propagieren eine Rollenverteilung, die für viele in die Vergangenheit gehört.
Besonders in den USA und zunehmend auch in Deutschland finden sie damit Zuspruch. Die klassische Tradwife ist jung, normschön, konservativ & gläubig. Einordnen lässt sie sich ästhetisch irgendwo zwischen 50s Retro-Chic und Countrycore.
Anhängerinnen der Tradwife-Bewegung teilen auf TikTok und Instagram Fotos und Videos von perfekt aufgeräumten Häusern, frisch zubereitetem Essen oder ihrem Familienalltag. In ihren Videos zeigen sie, wie sie ganz nach den Wünschen ihrer Männer und Kinder kochen, oder geben Tipps, wie man sich am besten einen besonders "maskulinen" Ehemann angelt. Sie zeichnen das Bild einer hingebungsvollen Mutter und Frau, die ihre Kinder und den Ehemann in das Zentrum ihres Lebens stellt.
Nicht wenige Tradwives sprechen sich online aktiv für konservative Politik und fundamental christliche Werte aus.
So ganz fassen lässt sich die Ästhetik der typischen Tradwife nicht. Einige sind nostalgisch an die 1950er Jahre angelehnt, andere wiederum glamourös und modern.
Bekannte Tradwives wie Nara Smith (@naraaziza), Hannah Neeleman (@ballerinafarm) und Esteé Williams (@esteecwilliams) betonen in ihren Videos den Wert von frischen, selbst zubereiteten Mahlzeiten und traditionell konservativen Werten. Instant-Ramen und artifiziell verarbeitete Lebensmittel findet man in ihrem Feed ganz bestimmt nicht. Von Blaubeerkuchen und hausgemachter Capri Sonne bis hin zu Hot Dogs mit selbst gestopften Würstchen und frisch gebackenem Brot – anstatt in den Supermarkt zu laufen sei es ihnen viel lieber, das Essen stets frisch zuhause zuzubereiten.
"Eine Frau hat zwei Lebensfragen: Was soll ich anziehen und was soll ich kochen?"Mit diesem Spruch hat schon Dr. Oetker in den 1950er Jahren Werbung gemacht. Was heute sexistisch und antiquiert klingt, war damals Lebensrealität der Frauen. Scheinbar finden viele Tradwives sowohl kleidungstechnisch als auch ideologisch Inspiration in dieser Ära. Eigentlich sollte man annehmen, dass wir uns befreit haben von traditionellen Rollenbildern. Schließlich sind wir doch modern, feministisch, selbstbestimmt!
Der Tradwife-Trend präsentiert ein Lebensmodell, das Frauen die Möglichkeit verspricht, dem Druck der modernen Arbeitswelt zu entkommen, indem sie in die traditionelle Rolle der Hausfrau und Mutter zurückkehren.
Von Frauen wird erwartet, dass sie gute Mütter und Partner*innen sind, berufliche Erfolge erzielen und den gesellschaftlichen Aufstieg anstreben. Das Hausfrauenleben wird als ein Weg zu mehr Zufriedenheit und Harmonie dargestellt. Tradwives lassen den Alltag als Hausfrau und Mutter wie ein lustiges Spiel aussehen, indem sie uns genau die Seiten ihres Lebens zeigen, die sich gut verkaufen lassen. Und das kommt gut an: Tradwife Videos wie die von Nara Smith (@naraaziza) haben über 6 Millionen Views auf TikTok.
Der Erfolg von Tradwives auf Social Media lässt sich auf verschiedene Faktoren zurückführen. Zum einen entsprechen sie oft gängigen Schönheitsnormen und kreieren Inhalte, die leicht konsumierbar und unterhaltsam sind. Was in ihren Feeds gezeigt wird, ist sorgfältig kuratiert und zeigt fast immer das, was sich gut verkaufen lässt: jung, weiß und normschön.
Zum anderen sorgen sie mit ihrem bewusst gewählten Lifestyle, der traditionellen Rolle als Hausfrau, für Aufsehen und Kontroversen. Oft stößt man online auf ein Video und liest in den Kommentaren Dinge wie "Ist das Satire?" oder "Meint die das ernst?". Tradwife-Content polarisiert und regt zum Diskutieren an. Und je mehr Leute mitdiskutieren, desto populärer werden die Videos.
Während einige der Tradwives sich aktiv gegen den Feminismus aussprechen, sehen sich andere als dessen Vertreter*innen. Was gibt es also Kritisches daran zu sehen, wenn eine Mutter sich Mühe gibt, ihren Kindern hausgemachte Gerichte zu kochen? Schließlich geht es im Feminismus darum, Frauen die Freiheit zu lassen, ihre Entscheidungen selbst zu treffen. Warum also nicht in Schürze und High Heels Brot backen?
Tradwife-Influencerinnen inszenieren ihre Lebensweise als Ausdruck von Selbstbestimmung. Dabei werden die zugrunde liegenden patriarchalen Normen und Zwänge häufig ausgeblendet, die viele Frauen in die Rolle der Hausfrau und Mutter drängen. Die romantisierte Darstellung von häuslicher Weiblichkeit wird stark von sexistischen Stereotypen beeinflusst. Es sind Stereotypen, die Frauen über Jahrhunderte hinweg als liebevoll-zurückhaltende und primär häusliche Wesen definiert haben.
Tradwives halten die Vorstellung am Leben, dass es zur natürlichen und erfüllenden Aufgabe der Frau gehört, sich um Haushalt und Kinder zu kümmern.
Doch wir sind eben nicht mehr in den 1950ern, und Estee Williams, Nara Smith und Hannah Neeleman sind längst nicht mehr "nur" Hausfrauen. Sie sind Influencerinnen, Marketing-Expertinnen und Content Creatorinnen, die aktiv Geld mit ihren Inhalten verdienen. Nicht selten sind sie finanziell erfolgreicher als ihre Ehemänner. Sie sind also nicht wirklich bzw. nicht primär Stay-at-home-moms, die wertvolle Care-Arbeit leisten, sondern vielmehr Online-Personas. Allerdings bleibt diese Tatsache für ihr meist junges Publikum oft unsichtbar.
Jede Frau sollte das Recht darauf haben, sich bewusst und aktiv für das Leben zu entscheiden das sie leben möchte, auch Tradwives. Trotzdem sollten wir uns vielleicht öfter daran erinnern, dass diese Videos nicht als Anleitungen geschaut werden sollten, wie wir als Frauen unser Leben führen sollen. Sie sind eine durchdachte Performance – Inspiration für die einen, unfreiwillige Satire für die anderen. Vielleicht ist die Tradwife als Kunstfigur denn als tatsächliches weibliches Ideal zu betrachten.