Die Pille ist nach wie vor das Verhütungsmittel Nummer eins in Deutschland – egal ob Minipille, Mikropille oder Pille danach. Denn Hormonpräparate und deren Wirkung im Körper werden von vielen Frauen immer noch unterschätzt. Das sollte man über die Nebenwirkungen der Anti-Baby-Pille wissen!
Eine von drei Frauen leidet unter den Nebenwirkungen der Pille. Das zeigt eine neue Studie von Nebenwirkungen.de. Neben eher harmlosen Nebenwirkungen wie Libidoverlust, Zwischenblutungen, Wassereinlagerungen, Kopfschmerzen oder Pigmentflecken kann die Pille aber noch zu weitaus gravierenderen Nebenwirkungen führen. In schlimmen Fällen können Thrombosen, Depressionen, Suizidgedanken und Krebserkrankungen die Folge der Pilleneinnahme sein.
Warum Nebenwirkungen der Pille oft auf die leichte Schulter genommen werden, weiß Dr. med. Maria Lutz, Ärztin und Expertin für Pharmakovigilanz (Arzneimittelsicherheit und -überwachung): “Oftmals wird die Pille bereits von jungen Mädchen eingenommen – sei es um die Pubertätsakne hormonell zu behandeln oder um sich bei früher sexueller Aktivität auf den bestmöglichen Schutz vor einer ungewollten Schwangerschaft verlassen zu können. In dieser Übergangsphase von der Kindheit zur Pubertät und schließlich zur erwachsenen Frau, während der sich das Körpergefühl und die Stimmung ohnehin ständig ändern, wird die Verwirrung durch die Einnahme künstlicher Hormone noch vergrößert. Bevor diese jungen Frauen überhaupt ein Gefühl für die Befindlichkeit ihres eigenen Körpers entwickeln, ist es überlagert durch die chemische Wirkung eines Medikaments, dessen Auswirkungen gar nicht als mögliche Nebenwirkungen erkannt werden können. Körper und Seele befinden sich dann oft in einem Zwangskorsett, das Frauen jahrelang mit sich herumtragen, weil sie ihre natürliche Befindlichkeit nicht kennen und diesen unnatürlichen Zustand als gegeben hinnehmen.”
Sollte es doch einmal zu gravierenden gesundheitsgefährdenden Beschwerden kommen, ist ein Wechsel zu einer anderen Pille wahrscheinlicher als ein gänzlicher Verzicht darauf, da der Vorteil der sicheren Verhütung im Vordergrund der Entscheidung steht. Auch dass der weibliche Zyklus einige Monate braucht, um nach Absetzen der künstlichen Hormone sein eigenes Gleichgewicht zu erlangen, wird häufig unterschätzt, so dass ein Absetzen der Pille zunächst gar nicht als Erleichterung und Verbesserung empfunden wird und die möglicherweise dann noch fortbestehenden Beschwerden nicht in ursächliche Verbindung mit der zuvor eingenommenen Pille gebracht werden können.
Die Liste der in der Studie erfassten Pillen-Nebenwirkungen ist lang. Da ist es nicht verwunderlich, dass ganze 72 Prozent aller Befragten, die bereits unter Nebenwirkungen litten, die Pille schon einmal gewechselt haben – 27 Prozent sogar schon mehrfach. Dabei fällt auch ins Auge, dass ein Drittel der Frauen ihre Nebenwirkungen nicht melden. Aber warum eigentlich? Das kann viele Gründe haben. Einer davon könnte sein, dass es für uns Frauen vielleicht schwierig ist, bestimmte Symptome den Nebenwirkungen der Pille zuzuordnen. Viele kennen es wahrscheinlich: Während des Zyklus schwankt nicht nur unsere Stimmung von Phase zu Phase, auch körperliche Veränderungen sind an der Tagesordnung. Das eine oder andere Ziepen im Unterleib, Bauch- oder Kopfschmerzen, vor allem wenn sich die Periode ankündigt, gehören dann zum Alltag. Außerdem möchten Frauen ungern als wehleidig wahrgenommen werden. Wollen stark und emanzipiert sein, wer wird sich da von ein paar Schmerzen so schnell aus der Bahn werfen lassen? “Die Einnahme der Pille ist für viele Frauen außerdem verbunden mit einem Gefühl von Modernität, von Freiheit und Selbstbestimmung über den eigenen Körper, sowie mit einer Idealvorstellung von begehrenswerter Schönheit mit reiner Haut und vollem, glänzendem Haar. Deswegen werden Zweifel an der gesundheitlichen Unbedenklichkeit und Verträglichkeit dieses vermeintlichen Wundermittels gern beiseitegeschoben. Nicht selten betrachten Frauen die Pille als eine Art Lifestyle- oder Wellness-Droge und nicht als Arzneimittel, das neben erwünschten immer auch unerwünschten Wirkungen und Wechselwirkungen haben kann. Das liegt auch an einem weit verbreiteten fehlenden Bewusstsein für die Nebenwirkungen von Medikamenten”, so Frau Dr. Lutz.
Es ist wichtig, Schmerzen oder Beschwerden, die mehrere Tage andauern, zu beachten und abklären zu lassen. Die Frauenärztin bzw. der Frauenarzt können helfen zu verstehen, was es mit den Symptomen auf sich hat. Sollte es sich tatsächlich um Nebenwirkungen der Pille handeln, dann ist ein Wechsel des Verhütungsmittels dringend geboten. Denn ein unnötiges Risiko einzugehen und die eigene Gesundheit zu gefährden, muss wirklich nicht sein. Heutzutage gibt es viele Alternativen in Sachen Verhütung und die gilt es auszuschöpfen. Ein weiterer wichtiger Punkt ist das Melden von Nebenwirkungen. Denn wenn unbekannte, aber auch bereits bekannte Medikamentennebenwirkungen nicht gemeldet werden, wird sich auch an der Arzneimittelsicherheit nichts verbessern. Denn die Arzneimittelhersteller können auf Risiken nicht reagieren, wenn gar nicht bekannt ist, dass bestimmte Symptome bei der Einnahme auftreten. Außerdem erfahren auch andere Betroffene nichts von ähnlichen Fällen.
Insgesamt leiden in Deutschland jedes Jahr ca. sechs Millionen Menschen unter den Nebenwirkungen von Medikamenten. Bisher wird aber lediglich ein Prozent aller Nebenwirkungen erfasst – ein großes Problem. Viele wissen zwar, dass es wichtig wäre, Nebenwirkungen zu melden, aber wie und an wen wissen die meisten nicht. Außerdem war der Meldeprozess bis vor kurzem noch sehr komplex und zeitaufwendig. Das ist jetzt anders: Auf der Seite Nebenwirkungen.de können Nebenwirkungen schnell und einfach gemeldet werden und jede von euch kann ihren Anteil zur Medikamentensicherheit beitragen. Die Gründerin Friderike hat das Online-Portal 2017 ins Leben gerufen, nachdem sie selbst unter schweren Nebenwirkungen eines Arzneimittels gelitten hatte. Seitdem ist sie ihrem Ziel, das Wissen um Medikamente für alle Patienten transparenter zu machen, schon ein großes Stück näher gekommen.
Frau Dr. Lutz rät: Sendet der Körper Signale des Unwohlseins, bitte diese nicht ignorieren, sondern beobachten und bedenken, dass Frauen bereits durch die tägliche Einnahme der Pille oder Anwendung anderer hormoneller Verhütungsmethoden einem höheren Risiko an Neben- und Wechselwirkungen ausgesetzt sind. Dies gilt vor allem, wenn zusätzlich zur Pille noch andere Medikamente eingenommen werden. Auch wenn deren Dosierungsangaben nicht speziell auf den Stoffwechsel von Frauen ausgerichtet sind, bitte nicht eigenständig die Dosierungen der Arzneimittel ändern oder die Einnahme auf eigene Faust abbrechen.
Schmerzen oder Unwohlsein, die immer Ausdruck von Nebenwirkungen sein können, müssen dringend mit dem Arzt besprochen werden – besonders dann, wenn es sich um starke Beeinträchtigungen handelt. Dabei kann es leider auch passieren, dass man als Frau beim Arzt nicht ganz ernst genommen wird und die Beschwerden als “psychische Überempfindlichkeit” belächelt und dementsprechend zu spät behandelt werden. Dann gilt: Den eigenen Körper bewusst wahrnehmen. Niemand kennt diesen besser als man selbst! Bevor man also resigniert aufgibt oder doch eigenmächtig die Therapie ändert, sollte man dem oder im Zweifelsfall eine Zweitmeinung einholen. Und: Unbedingt die Nebenwirkungen melden! Jede Meldung trägt aktiv dazu bei, die Arzneimittelsicherheit zu verbessern, und kann andere vor ähnlichen Erfahrungen bewahren.