Superfood-Hype

Wie gesund ist Soja wirklich?

Soja | © iStock / Diane Labombarbe
Was ist dran am Hype um das Superfood Soja?
© iStock / Diane Labombarbe

Soja wird als Superfood gefeiert. Doch ist die Hülsenfrucht wirklich so gesund wie viele denken? Es gibt Hinweise, dass Soja sogar krank machen kann.

Sojaprodukte liegen im Trend

Caffè Latte bestellt Katrin mit Sojamilch. Beim Asiaten isst sie Tofu, ab und zu brät sie sich Sojawürstchen. Seit zehn Jahren lebt die 38-Jährige vegetarisch. Klar, dass es bei ihr oft Soja gibt. Die Hülsenfrucht ist reich an B-Vitaminen, Calcium und Selen. Hinzu kommen Mineralstoffe wie Magnesium, Eisen und Zink, hochwertiges Eiweiß und mehrfach ungesättigte Fettsäuren. Cholesterin? Fehlanzeige. Soja soll zudem vor Krebs schützen und das Herz stärken. 

So weit, so vage. Denn aktuelle Forschungsergebnisse stimmen weit weniger euphorisch, sie lassen sogar vermuten, dass Soja unserer Gesundheit schadet. Die Hülsenfrucht könnte unfruchtbar machen und Brustkrebs auslösen. Dabei gehören Sojaprodukte für viele längst zum Alltag. Mehr als sieben Millionen Deutsche sind Vegetarier, etwa zehn Prozent davon ernähren sich vegan. Dank Kochgurus wie Attila Hildmann legen immer mehr Fleischesser tierproduktfreie Tage ein - auch weil sie denken, sich so fit und gesund zu halten.

Immerhin: Ein Komplettverzicht ist nicht nötig. "Soja muss keinesfalls von unserem Speiseplan gestrichen werden", sagt die Medizinerin Dr. Susanne Weg-Remers, die den renommierten Krebsinformationsdienst leitet. Ob Soja nützt oder schadet, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Deshalb ist es wichtig, die Forschungsergebnisse genau zu betrachten.

Fleischersatz: Die besten Alternativen

Burger mit Jackfruit | © Getty Images/Westend61

Isoflavone in Soja - Hormone in der Bohne

Sojabohnen enthalten sogenannte Isoflavone, sekundäre Pflanzenstoffe, die in ihrer chemischen Zusammensetzung dem weiblichen Hormon Östrogen ähneln, sie werden deshalb auch als Phytoöstrogene bezeichnet. Dass asisatische Frauen ein bis zu fünfmal geringeres Brustkrebsrisiko haben, könnte an diesen pflanzlichen Hormonen liegen. Wissenschaftler vermuteten in den 1990er-Jahren, dass sie die Östrogenaktivität im Brustgewebe blocken.

In den vergangenen Jahren sorgten dann zwei US-Studien für Aufsehen. Die eine leitete Leena Hilakivi-Clarke, Onkologin an der Georgetown University. Sie verabreichte gesunden Ratten Isoflavone. Das Ergebnis: Sind keine Krebszellen vorhanden, senken Phytoöstrogene das Krebsrisiko tatsächlich leicht.

Bei der zweiten Studie jedoch machte William Helferich, Ernährungswissenschaftler an der University of Illinois, eine völlig andere Entdeckung. Er testete in der Petrischale, wie menschliche Brustkrebszellen auf Soja-Phytoöstrogene reagieren. Das alarmierende Ergebnis: Die Krebszellen vervielfachten sich, zudem war die Wirkung gängiger Krebsmedikamente wesentlich schwächer.

Soja und Brustkrebsrisiko

Diese Befunde legen folgende Schlüsse nahe: Wer gesund ist, senkt mit Soja sein Brustkrebsrisiko. Wer jedoch daran erkrankt ist oder die genetische Veranlagung dazu hat, darf kein Soja essen. "Das ist viel zu vereinfachend", sagt Susanne Weg-Remers. Um zu eindeutigen Aussagen zu kommen, müsse man weiter ausholen. "Wir wissen heute, dass sich das Brustkrebsrisiko durch zyklische Schwankungen des Östrogenspiegels erhöht." Ab der Menopause steigt das Risiko deutlich an. Alternativmediziner empfehlen mitunter Pulver und Tabletten auf Sojabasis, die bei typischen Wechseljahrsbeschwerden helfen sollen. Tatsächlich aber bringen diese Nahrungsergänzungsmittel die Hormone aus dem Gleichgewicht. Sie können daher das Brustkrebsrisiko erhöhen - auch bei Frauen vor der Menopause. Das Bundesinstitut für Risikobewertung rät von Nahrungsergänzungsmitteln mit einem hohen Gehalt an Isoflavonen grundsätzlich ab.

Von Sojapillen lieber die Finger lassen 

Was nicht heißt, dass man auf Tofu-Burger und Soja-Bolognese verzichten muss, denn ihr Gehalt an Phytoöstrogenen ist deutlich niedriger. Auch in der Studie, bei der sich Krebszellen vermehrten, wurde eine viel höhere Dosis eingesetzt. Gängige Sojagerichte können demnach keine extremen Hormonschwankungen auslösen. Zumindest dann nicht, wenn man normale Mengen verzehrt. Die US-Lebensmittelbehörde empfiehlt 300 Gramm Tofu oder 800 Milliliter Sojamilch als tägliches Limit; in Deutschland gibt es keine Angaben in puncto Höchstmenge.

Ob die Bohne sogar vor Brustkrebs schützen kann, wie eine Studie zeigte? Darauf gebe es noch keine Antwort, erklärt Susanne Weg-Remers. "Ratten reagieren anders als Menschen, wir können die Ergebnisse nicht eins zu eins übertragen." So viel lässt sich auf jeden Fall sagen: Nahrungsergänzungsmittel mit Phytoöstrogenen sind tabu, Soja-Food in normalen Mengen ist unproblematisch. 

Tofu-Gericht | © iStock / VeselovaElena
Tofu ist nicht nur bei Vegetariern beliebt
Foto: iStock / VeselovaElena

Soja und Schwangerschaft

Kaum Alkohol, viel Gemüse und Obst - Frauen, die schwanger werden wollen, achten auf ihre Ernährung. Doch einiges deutet darauf hin, dass ausgerechnet Sojabohnen der weiblichen Fruchtbarkeit schaden können. So wurden in den 1940er-Jahren in Australien plötzlich Schafe unfruchtbar, in den 80ern waren es Geparden in amerikanischen Zoos. Schuld waren Isoflavone. Die Phytoöstrogene kommen neben der Sojabohne auch in einigen Klee-Arten, Kichererbsen und der Rinde von Pflaumenbäumen vor. Zoowärter verwöhnten die Geparden mit Soja-Food, die Schafe fraßen sehr viel Klee.

Klar, Menschen essen weder Klee noch ausschließlich Soja. Doch verschiedene Studien belegen: Isoflavone können den weiblichen Zyklus beeinflussen. Frauen, die viel Soja essen, haben weniger follikelstimulierendes Hormon (FSH) im Blut. Wird nun sehr wenig oder kein FSH ausgeschüttet, kann die Reifung der Eizellen gestört werden. In den vorliegenden Studien war das nicht der Fall. Es verlängerte sich nur der Zyklus der Soja-Esserinnen - sie hatten ihren Eisprung etwas später. "Soja als Bestandteil einer ausgewogenen Ernährung gefährdet die weibliche Fruchtbarkeit nicht", sagt Bettina Toth; die Professorin leitet die Kinderwunschambulanz der Universitäts-Frauenklinik Heidelberg.

Soja, ein Cholesterinkiller? Nicht die Bohne 

Ein traditionelles asiatisches Gericht mit Tofu, Miso oder Sprossen enthält zwischen 10 bis 25 Milligramm Isoflavone. "Studien zeigen, dass mehr als 100 Milligramm Isoflavone pro Tag die Funktion des Eierstocks beinflussen können", sagt Bettina Toth. "Allerdings müssen diese Zahlen aufgrund der kleinen Datenmenge zurückhaltend betrachtet werden; hier ist weitere Forschung nötig." Als sicher gilt: Phytoöstrogene können die weibliche Fruchtbarkeit beeinflussen. Doch um tatsächlich unfruchtbar zu werden, müsste man immens viel Soja essen. Moderate Mengen sind ungefährlich.

Die Mär vom "Superfood Soja"

Lange Jahre galt Soja als Superfood. Es klang ja auch so gut: Mitte der 1990er-Jahre werteten Forscher der University of Kentucky knapp 40 klinische Studien aus. Das Ergebnis: Wer täglich 50 Gramm Sojaproteine isst, das sind etwa 2,5 Tassen Tofu, reduziert sein LDL- Cholesterin um 12,9 Prozent.

Das LDL-Cholesterin gilt als schädlich. Haben wir zu viel davon im Blut, lagert es sich an den Gefäßinnenwänden ab. Es drohen Angina Pectoris, Durchblutungsstörungen oder Herzinfarkt. Wäre doch gut, das böse Cholesterin mit gutem Soja außer Gefecht zu setzen. Das Problem: Aktuelle Studien zeigen keinen oder nur einen geringen Effekt. So bestätigte zwar eine Studie, dass Sojaproteine das LDL-Cholesterin reduzieren - allerdings nur um gerade mal drei Prozent. Vermutlich wurden die Ergebnisse in der Vergangenheit falsch gedeutet. Experten nehmen an: Regelmäßige Soja-Esser haben bessere Cholesterinwerte, weil sie weniger Fleisch essen und insgesamt mehr auf ihre Ernährung achten.

Fazit: Soja kann tatsächlich schaden - als Nahrungsergänzungsmittel oder in großen Mengen. "Die Beschränkung auf ein einziges Lebensmittel ist niemals gesund - das gilt natürlich auch für Soja", sagt Christine Behr-Völtzer, Professorin für Ernährungswissenschaft, Diätetik & Prävention an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Hamburg. Entscheidend sei eine ausgewogene Ernährung. Wer also ab und zu Tofu isst, nimmt die positiven Effekte mit: kein Cholesterin, viele Mineralstoffe und hochwertiges Eiweiß. Und das ist ja schon eine ganze Menge.

Die Soja-Liste

  • Sojamilch: Beliebter Kuhmilchersatz. Die Bohnen werden in Wasser eingeweicht, gemahlen, gekocht und gefiltert. Wichtig: Die Milch sollte ungesüßt sein. 

  • Edamame: Heißt "Bohnen am Zweig". Die Sojabohnen werden unreif geerntet, nicht bearbeitet und im Ganzen gegart; sie sind reich an Ballaststoffen und Eiweiß. 

  • Miso: Die Paste enthält neben Soja auch Reis, Gerste oder anderes Getreide. Dafür werden Bohnen und Getreide gedämpft, dann vergoren.

  • Tofu: Aus geronnener Sojamilch entsteht ein weißer, quarkähnlicher Teig, der entwässert und zu Blöcken gepresst wird. Enthält pflanzliches Eisen und Vitamin B6. 

  • Tempeh: Ist fester als Tofu. Vorgegarte Sojabohnen werden mit einem Edelpilz fermentiert. 

  • Lecithin: Wird u. a. aus Sojabohnen gewonnen und ist in vielen Lebensmitteln enthalten. Brot und Backwaren, Margarine, Eis und Schokolade – das sind versteckte Sojaquellen. Auf Zutatenlisten taucht Lecithin als E322 auf. 

Text: Madlen Ottenschläger
Mehr zum Thema