Menschen mit Borderline Syndrom sind innerlich zerrissen. Gefangen in einem unerklärbaren und unkontrollierbaren Gefühlschaos verletzen sie sich selbst und diejenigen, die ihnen am nächsten stehen. Menschen, die mit Borderline eine Beziehung führen, stellen sich selbst und den*die Partner*in vor die Herausforderung, den Grenzgang zwischen Liebe und Hass, Glück, Wut, Anziehung und Zurückweisung anzutreten.
Wir erklären, wie man Borderline Symptome am*an der Partner*in rechtzeitig erkennt, wie eine Borderline Beziehung ablaufen kann, was beide tun können und wie die Beziehung mit Borderline trotzdem funktionieren kann.
Ursprünglich sollte der Begriff Borderline den Grenzzustand zwischen Neurose und Psychose beschreiben. Heute geht man bei der Diagnose Borderline von einer eigenständigen psychischen Störung aus.
Trotzdem bleibt der Begriff der Border, also der Grenze, passend. Von Borderline betroffene Persönlichkeiten sind Grenzgänger*innen zwischen Extremen, zwischen Nähe und Distanz, zwischen Freude und Trauer, zwischen Liebe und Hass. Der Weg von der einen zur anderen Seite ist kurz. Zu schnell und unerwartet kippen Borderliner*innen von High zu Low.
Das Gefühl von überwältigender Wut, lähmender Angst, tiefer Trauer bis hin zu unkontrollierbarer Panik kommt für Menschen mit Borderline aus dem Nichts. Zunächst merken Borderliner*innen nämlich gar nicht so richtig, wie sich Gefühle aufbauen. Vor allem negative Emotionen stauen sich unter der Oberfläche an. Sodass schließlich nur ein kleiner Impuls, wie ein einziges falsches Wort als der sprichwörtliche Tropfen, der das Fass der Gefühlswelt zum Überlaufen zu bringt, genügt.
Von Borderline Betroffene leiden unter extremen Stimmungsschwankungen bis hin zu Verzweiflung, Wutanfällen und Panikattacken. Die emotionalen Wellen überrollen sie so schnell, dass sie nicht in der Lage sind sie rechtzeitig zu erkennen, zu unterdrücken oder zu kontrollieren.
Für ihr Umfeld wirken Borderliner*innen launisch und unberechenbar. Die Ausbrüche sind schwer nachvollziehbar, da von dem inneren Gefühls-Stau zunächst keine Anzeichen zu erkennen sind. Plötzliche, impulsive Ausbrüche kommen scheinbar aus dem Nichts und wirken irritierend. Obwohl natürlich mehr als ein minimaler Anlass zu der für Borderline typischen emotionalen Entladung führt.
Menschen sind launisch und emotional. Manche etwas mehr als andere. Aber wie lässt sich eine impulsive Persönlichkeit von jemandem unterscheiden, der*die von Borderline betroffen ist?
An diesen Anzeichen erkennt man Borderline beim*bei der Partner*in:
Die Stimmung kippt
Impulsive Menschen explodieren vielleicht schneller als introvertierte, ruhige Persönlichkeiten. Doch für Menschen mit Borderline-Persönlichkeitsstörung wird ihr Leben scheinbar von einer Sekunde zur anderen zum Scherbenhaufen. Wenn der*die Partner*in öfter in einen unvorhersehbaren plötzlichen Wutausbruch oder Panik verfällt, mit Vorwürfen um sich wirft, mit der Trennung droht, oder sich tatsächlich aus dem Nichts trennt, dann kann mehr dahinter stecken als eine impulsive Persönlichkeit.
On-Off-Beziehungen
Anziehen und wegstoßen, wieder zusammenfinden und erneut wegstoßen – On and Off Beziehungen sind typisch für Menschen mit Borderline. Aber auch abrupte Trennungen und schnelle Beziehungswechsel von einer Partnerschaft zur nächsten kommen häufig vor.
Dieses Anzeichen findet sich übrigens auch in toxischen Beziehungen.
Große Liebe und schnelle Trennung
Während der*die Partner*in am Anfang der Beziehung noch idealisiert wird und in den Augen des*der Betroffenen scheinbar perfekt wirkt, kann diese große Zuneigung schnell kippen und führt zum unerwarteten Ende. Durch die Borderline-Persönlichkeitsstörung fällt es Menschen schwer Gefühle einzuordnen. Sie wenden sich schnell vom extremer Liebe zu extremer Abneigung. Der*die Partner*in ist entweder Alles oder Nichts für sie.
Erwartung und Enttäuschung
Personen mit Borderline haben häufig hohe Erwartungen an den*die Partner*in. Sie wünschen sich und brauchen viel Aufmerksamkeit, bedingungslose Zuneigung und Liebe. Dabei können sie diese Erwartungen oft kaum kommunizieren, sodass der*die Partner*in gar nicht geben kann, was der andere braucht.
Zu viel und zu wenig Nähe
Borderline-Persönlichkeiten haben häufig Angst davor verlassen zu werden und haben Schwierigkeiten damit, wenn der*die Partner*in auch nur kurzzeitig nicht in ihrer Nähe ist. Gleichzeitig können Borderliner*innen nicht mit zu viel Nähe umgehen und bauen auch dadurch emotionale Spannung in sich auf.
Selbstsabotage
Das innere Chaos und die emotionale Verwirrung führen oft zu schwer erklärbaren Handlungen. Auch zu solchen Handlungen, mit denen sie sich selbst schaden. In Beziehungen führt dies auch öfter zu Untreue. Betroffene entscheiden, handeln und fühlen extrem wechselhaft. So ziehen sie auch scheinbar wahllos von Sexualpartner*in zu Sexualpartner*in weiter.
Verletzungen
Um die innere Spannung etwas abzubauen und unter Kontrolle zu bekommen, verletzen, ritzen, brennen oder schlagen Menschen mit Borderline sich häufig selbst. Ein verzweifelter Versuch, das große unkontrollierbare innere Chaos zu zähmen. Oder ein Versuch sich einfach selbst zu spüren. Manchmal aber auch ein Versuch, ein Signal an das Umfeld zu senden.
Entscheidungen treffen und Extreme ausleben
Es fällt Borderline-Persönlichkeiten schwer bedachte Entscheidungen in Ruhe zu treffen. Stattdessen schlagen sie gerne über die Stränge, stürzen sich Hals über Kopf in Projekte, geben plötzlich Unsummen an Geld aus, haben Essanfälle, stehlen impulsiv, nehmen Drogen, trinken extreme Mengen an Alkohol, praktizieren riskanten Sex oder gefährliche Sportarten. Essstörungen, Depressionen oder Suchterkrankungen sind häufig die Folge.
Schwankendes Selbstbild
Ähnlich wie die Gefühle, Handlungen und Entscheidungen von Personen mit Borderline in Extreme schwanken, kippt auch das Selbstbild schnell in große Unsicherheit. Dabei fällt es den Betroffenen schwer ihre Persönlichkeit und Identität zu erfassen.
Dissoziation
In Extremfällen empfinden Borderliner*innen psychische Funktionen getrennt von ihrem Selbst. Viele fühlen sich selbst fremd. Die Welt um sie herum erscheint unwirklich. Nach außen wirken die Persönlichkeiten dann unsicher, zerrissen und instabil.
Suiziddrohung und Suizidversuche
Gegenüber dem*der Partner*in drohen Menschen mit Borderline schnell mit Suizid, aber in tragischen Fällen, in denen der*die Betroffene zu wenig oder zu spät Hilfe bekommt, werden die Drohungen zur Wirklichkeit. Entsprechend ist es wichtig diese Drohungen ernst zu nehmen.
Menschen mit Borderline-Persönlichkeitsstörung stehen im Kampf mit ihren eigenen Gefühlen. Sie leiden unter den sich anstauenden Spannungen, unter den schnellen Schwankungen und den kippenden Extremen. Hinzu kommt, dass sie meist ein instabiles Selbstbild haben, ihre eigene Persönlichkeit oft nicht einschätzen können oder plötzlich und tief in Selbsthass und Selbstzweifel verfallen. Borderliner*innen fällt es schwer zu spüren, wie sie auf ihre Umgebung wirken und was andere empfinden.
Sie sind hin- und hergerissen zwischen der Suche nach Nähe, dem Wunsch nach Liebe, Aufmerksamkeit und Zuneigung sowie der Angst vor Verlust, vor zu viel Nähe und Abhängigkeit. Sie lieben schnell und intensiv, wechseln aber genauso sprunghaft und leidenschaftlich den*die Partner*in. Der*die gleiche Partner*in kann das Wichtigste auf der Welt und kurz darauf das Allerletzte sein. Sie bauen nur langsam Vertrauen auf. Borderline-Betroffene haben selbst immer Angst davor, zurückgewiesen zu werden, stoßen gleichzeitig aber ihre Partner*innen impulsiv von sich. Sie erwarten viel Zuneigung und intensive Nähe, sind aber nicht immer bereit, diese zurückzugeben. Für den*die andere*n scheinbare Kleinigkeiten werden zum Trigger, lösen extreme Reaktionen, Gefühlsausbrüche, Entscheidungen und Handlungen aus.
Die Partner*innen einer Borderline-Persönlichkeit müssen einerseits lernen damit umzugehen, andererseits gilt natürlich auch als Partner*in: Es ist trotzdem wichtig sich selbst zu schützen. Der*die Partner*in kann für einen Betroffenen eine große Hilfe und Stütze sein, er*sie muss aber auch darauf achten, selbst nicht an der schwierigen Beziehung zu zerbrechen.
Für Außenstehende ist es sehr schwer, sich in die Gefühlswelt mit Borderline-Persönlichkeitsstörung hineinzufühlen. Der Wechsel zwischen Selbstliebe und Selbsthass, Nähe und Misstrauen kann ebenso schwer vorhergesehen wie nachvollzogen werden. Das Umfeld weiß nie genau, wann der*die Betroffene sozusagen "explodieren" könnte. Gleichzeitig muss das Umfeld mit ansehen, dass die betroffene Person leidet. Beides kann für den*die Partner*in belastend sein. Hinzu kommt der abrupte Wechsel zwischen Zuwendung und Abneigung, sowie Ängste vor Betrug, Aggression und einer plötzlichen Trennung. Als Partner*in weiß man weder, ob man geliebt oder verlassen wird, noch, wie man sich "richtig" verhalten sollte oder was man rückblickend "falsch" gemacht hat. Aus Liebe wird schnell Überforderung.
Einen guten Überblick über das Thema bietet auch dieses Video:
Menschen mit Borderline wechseln häufig ihre Partner*innen besonders schnell und sprunghaft. Aus einer flüchtigen Bekanntschaft kann die große Liebe werden, die anschließend aber genauso schnell wieder verfliegt. Zunächst lässt sich der*die Partner*in nicht klar als einen Typ definieren. Wer aber länger im Leben einer Borderline-Persönlichkeit bleibt, der ist meist quasi ein Spiegel des anderen. Der*die Partner*in lässt sich von der anfänglichen überschwänglichen Zuneigung nicht einschüchtern oder abschrecken. Er*sie lässt sich in die einnehmende Beziehung ziehen, selbst wenn die eigenen Kontakte darunter leiden. Wenn der*die Borderliner*in den*die Partner*in schließlich mit Ausbrüchen und Drohungen konfrontiert, dann lässt er sich auch davon eher in weiter in die komplexe Beziehung ziehen, statt sich abzuwenden.
Wer einen*eine Borderline-Partner*in kennenlernt, wird zu Beginn häufig mit Liebe überschüttet. Das mag für die einen wunderschön, aber für die anderen überfordernd sein. In jedem Fall hat diese Phase der Zuneigung ein Ablaufdatum, das sich vorher nicht festlegen lässt. Aus Liebe wird Besitzergreifung, Bevormundung, Misstrauen und Eifersucht.
Der*die Partner*in wird in vielen Fällen vom eigenen Freund*innenkreis abgekapselt und von der Beziehung eingenommen. Konflikte stehen genauso auf der Tagesordnung wie Anziehung und Zurückweisung. Als Partner*in einer Borderline-Persönlichkeit wird man vergöttert, könnte aber auch jederzeit verlassen werden.
Und trotzdem: Eine Borderline-Beziehung kann funktionieren.
Wir müssen an dieser Stelle nochmals klarstellen, dass der*die Partner*in einem Menschen mit Borderline-Persönlichkeitsstörung nicht alleine helfen kann. Betroffene Personen brauchen dringend professionelle Hilfe und eine angemessene Behandlung in Form einer Therapie.
Damit eine Beziehung mit einem*einer Borderliner*in also halten kann und zudem für beide zu einer gesunden, funktionierenden, glücklichen Beziehung werden kann, müssen beide das Problem erkennen und bereit sein gemeinsam daran zu arbeiten. Der*die Betroffene mit Borderline-Persönlichkeitsstörung muss bereit sein, sich behandeln zu lassen. Der*die Partner*in kann dabei unterstützen.
Dabei darf aber nicht unterschätzt werden, dass auch der*die Partner*in mit den Gefühlsausbrüchen, den Aggressionen, Drohungen, aber auch mit der Angst vor Betrug und Trennung leben muss. Somit ist es auch für den*die Partner*in wichtig sich zu schützen, die Angriffe nicht persönlich zu nehmen und das eigene Selbstwertgefühl nicht darunter leiden zu lassen.
Die Persönlichkeitsstörung kann sich lösen. Menschen können damit leben und Beziehungen können funktionieren. Aber die Behandlung kann Jahre dauern. Viel Liebe und Durchhaltevermögen von beiden sind gefragt. Alle beide sollten überzeugt von der Beziehung sein und sich bewusst sein, dass die Beziehung Arbeit erfordert.
Das kann der*die Partner eines*einer Borderline-Betroffenen tun:
1. Auf sich selbst achten
Indem der*die Partner*in sich bewusst Freiräume und Auszeiten nimmt, kann er*sie mit mehr Energie und Verständnis wieder für den*die andere*n da sein.
2. Co-Abhängigkeit meiden
Sich zurücknehmen und schützen ist gerade deswegen so wichtig, weil das Borderline-Syndrom den*die Partner*in in schlimmen Fällen in die Co-Abhängigkeit ziehen kann.
3. Verständnis zeigen
Auch wenn die Gefühlsausbrüche und extremen Handlungen für Außenstehende meist nicht nachvollziehbar sind, ist es wichtig Betroffene für seine*ihre Stimmungsschwankungen und impulsiven Entscheidungen nicht zu verurteilen. Die Ausbrüche sind für die Betroffenen selbst weder erklärbar, noch leicht erträglich. Im Gegenteil, sie leiden schwer darunter, haben Angst davor zurückgewiesen und abgewertet zu werden.
4. Ruhig bleiben
Eine möglichst gelassene Reaktion beruhigt Borderliner*innen meist.
5. Grenzen und Regeln
Auch wenn Grenzen Frustration auslösen können, müssen Partner*innen sich unbedingt abgrenzen, bevor sie selbst zu sehr unter der Beziehung leiden. Schließlich schaffen Grenzen Sicherheit für beide Seiten, da Borderliner*innen gerne ihre Grenzen testen und ausreizen.
6. Informieren
Da Borderliner*innen häufig Schwierigkeiten haben ihre eigene Persönlichkeit zu verstehen, kann der*die Partner*in dabei helfen mehr über die Persönlichkeitsstörung zu erfahren und zu lernen. Für beide führt mehr Wissen meist zu mehr Verständnis.
7. Therapie unterstützen
Gewohnheiten geben Betroffenen halt und Sicherheit. Sie lernen mit ihren inneren Spannungen zu leben. In Behandlung verstehen sie wie wichtig Pausen sind, gestehen sich ihre Schwächen ein und legen perfektionistische Ansprüche langsam ab. Ruhe und Routinen helfen dabei.
8. Sicherheit geben
Borderliner*innen haben extreme Angst davor verlassen zu werden. Sie brauchen Sicherheit von ihren Beziehungspersonen.
9. Gesunder Lebensstil
Ernährungs-, Trink-, Schlaf- und Bewegungsgewohnheiten helfen bei Essstörungen, Drogenkonsum oder Alkoholismus, welche oft mit dem Borderline-Syndrom einhergehen
10. Niemals wegsehen
Ob der*die Betroffene unter Wutausbrüchen, Selbsthass oder gar selbstverletzendem Verhalten leidet, in jedem Fall muss das Leid gesehen werden. In vielen Fällen schreien Betroffene mit ihren extremen Handlungen indirekt nach Aufmerksamkeit. Wunden müssen sachgemäß versorgt werden und professionelle Hilfe kann nur immer wieder angeboten werden, bis der*die Betroffene bereit ist sich in Behandlung zu geben.