Wo man hinkommt, war sie schon. Niemand kann einen so verunsichern wie die Ex des Partners. Doch wie kann und sollte man damit umgehen?
Sei meine Freundin – einer meiner ersten Gedanken, als ich ihre Stimme höre. Sie klingt warm und empathisch. So aufgeräumt und beruhigend wie die, die mir in der Straßenbahn den nächsten Halt ankündigt. Aber ich bin jetzt nicht ruhig, denn diese Stimme an meinem Ohr gehört der Ex-Frau meines Freundes, und anstatt „Rosenthaler Platz“ oder „Oranienstraße“ sagt sie nüchtern, dass sie hoffe, mir nie begegnen zu müssen. Damit ich es wirklich begreife, schiebt sie hinterher: „Ich bin deine Feindin.“ Eine Weile höre ich ihr zu. Feindin also. Manchmal macht sie Pausen, mir fällt kaum etwas ein. Ich höre mich rumstottern. „Bis bald“, sage ich, bevor ich auflege, aber das gilt wohl mehr der Stimme als der Frau, der sie gehört. Ich rauche eine.
Niemand bereitet uns auf Ex-Frauen oder -Freundinnen vor. Sie sind plötzlich da und spielen eine Rolle in unserem Leben, ob wir wollen oder nicht. Sie haben den Mann geprägt, den wir lieben. Seine Art, Beziehungen zu führen. Verabredungen zu treffen. Geschenke auszuwählen und sich von unterwegs zu melden. Manche ExFrauen haben eine Familie mit ihm gegründet, ein Haus oder einen Hund gekauft, irgendetwas, das eine bleibende Nähe bedingt. Anders als zu Freibadzeiten ist seine Vergangenheit nichts mehr, was sich auf zwei, drei verblichene Fotos reduzieren lässt. Sie füllt Alben. Sie lässt sich nicht mit zwei wilden Wochen in Frankreich abtun. Wollen wir ihm nahe sein, müssen wir das, was war, akzeptieren, also auch die ehemaligen Partnerinnen. Nur wie etwas bejahen, das einen ausgrenzt und daran erinnert, dass man selbst die Neue und alles schon einmal gewesen ist?
Mit der Idee einer fernen Freundin im Kopf würde mir das leichterfallen als im Kampf gegen eine erklärte Feindin. Es fühlt sich nicht so an, als könnte eine von uns gewinnen. Die Frau mit der warmen Stimme sieht das anders. Sie will den Mann zurück, den sie verlassen hat. Wozu, fragt sie, solle sie mich also kennenlernen? Sie mag recht haben. Aber was ist mit ihren Kindern, denen ich begegne, die in einen Loyalitätskonflikt geraten könnten? Sie sind fast erwachsen. Manchmal versuche ich, in ihren Gesichtszügen zu lesen: Ist das ihr Lachen? Die gekrauste Stirn ihre Art zu protestieren?
Sie geistert durch mein Leben. Wo ich hinkomme, war sie schon. Auf dem Spazierweg am Fluss. In seinem Auto. In der Küche. Sie trägt Parfum von Dior und besitzt eine kornblumenblaue Handtasche, die ich mir einmal gewünscht habe. Sie ist schlagfertig und kann, wenn es sein muss, an einem Freitagabend 67 Bierbänke organisieren. Oder ein ganzes Fest. Das habe ich aufgeschnappt, so wie ich überhaupt jeden Informationsschnipsel sammle, schließlich will ich sie und das Leben verstehen, aus dem sie herausgefallen ist – zusammen mit dem Mann, der seitdem strauchelt.
Ob wir uns einmal begegnen werden, liegt auch an ihm. Es sind die Männer, die Ex-Frauen und Freundinnen den nötigen Raum zusprechen und sie außer Konkurrenz stellen, so weit wie möglich. Die herausfinden müssen, wie sie alte Nähe eingrenzen und neue schützen können. Unsere Vorgängerinnen sind immer mehr oder weniger als wir, sie sind nie: irgendwer. Sie sind dicker oder dünner, erfolgreicher oder entspannter, schlimmstenfalls genial. Wir vergleichen uns, um mehr über den Mann und die Chancen unserer Beziehung zu erfahren: Sind wir ähnlich wie sie oder ganz anders? Vielleicht bloß eine nette Abwechslung, bevor er sich wieder nach einem Typ Frau wie ihr sehnt?
Ich will sie und ihr Leben verstehen, aus dem sie herausgefallen ist
Keine andere Frau in unserem Leben verunsichert uns so existenziell wie sie. Kein Vergleich ist bedrohlicher. Vor Jahren gab es die Ex-Freundin in Paris, Schauspielerin, zwei Reizworte, die mehr Leidenschaft versprachen, als ich sie je würde aufbringen können. Die Ex-Freundin, die älter war als ich, erfahrener. Ein nicht aufholbarer Vorsprung. Und dann das neurotische Feierbiest, das noch Jahre später von meinem Ex-Freund eingesammelt wurde, wenn es sein musste. Das war schwer auszuhalten, kam aber selten vor. Und genauso selten bedrohten mich die anderen Frauen im Alltag. Früher oder später sind sie zu ersten Erfahrungen verblasst, wurden glorifiziert oder belächelt.
Doch Väter sollen, dürfen das nicht. Die Mutter ihrer Kinder verehren sie hoffentlich auch nach der Trennung. Konzentrieren sich auf das Gemeinsame, auf das, was sie zu guten Eltern macht. Für jede Nachfolgerin muss das eine besondere Herausforderung sein, denn wie unterscheiden, was alte Nähe, was neuer Teamgeist ist? Ein Balanceakt, der strauchelnden Männern so wenig gelingen kann wie Betrunkenen das Laufen auf dem Strich. Ich tänzele mit, manchmal schon morgens um acht, wenn das Telefon klingelt und ich weiß, sie ist dran. Anfangs habe ich mich leise verhalten, um nicht zu stören. Jede geräuschlose Bewegung ist Respekt vor der Vergangenheit, vor der Familie, die sie einmal waren.
Nach eineinhalb Jahren möchte ich laut rufen und den Mann schütteln, der nach kurzen Momenten der Freude schaut, als wäre im Kino das Saallicht angegangen: Alles bloß Lichtspiel, das echte Leben hat eben doch mehr mit leeren Pappbechern und Popcornresten zu tun, schon vergessen? Alles schon mal da gewesen, die Pläne für das eigene Haus, Geburten, trunkene Nächte auf der Veranda. Die Premieren sind gefeiert, daran erinnert ihr Klingelton, es ist mehr ein Wecker.
Oft fühle ich mir ihr näher als ihm. Ich kann nachvollziehen, dass sie ihre Familie aufgelöst hat, ausbrechen musste. Bei Konflikten mit ihm denke ich manchmal: Wie hat sie sich verhalten? Ich ergreife Partei für sie, so vehement, dass es den Mann ärgert, weil er sich abgelehnt fühlt. Dabei will ich nur übersetzen. Ich habe keine Lust, sie zu verurteilen. Seinen Schmerz ungeprüft zu übernehmen. Die jüngere Neue zu geben, die mit Freundinnen im Café sitzt und aufzählt, was die Verflossene dem Mann Schreckliches angetan hat, bis eine sich verpflichtet fühlt zusammenzufassen: Sie will ihn halt fertigmachen.
Einfach wäre das und in manchen Momenten vielleicht sogar richtig, weil natürlich. Aber mit einer Frau um einen Mann zu kämpfen kommt mir seltsam anachronistisch vor, und so nehme ich meine Feindin als eine unbequeme, unsichtbare Dritte, die mich zwingt, Wünsche zu hinterfragen, Grenzen zu ziehen und Neugier zu bewahren. Bis wir uns eines Tages vielleicht kennenlernen.