Yoni, Lingam & Co.

Tantra: Mehr als Yoga und erotische Massage

Hübsches, junges Paar im Bett | © iStock | Merlas
Tantra beinhaltet verschiedene Techniken, Rituale und Meditationen – zum Beispiel Massagen, Yoga- oder Atemübungen.
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Wer bei Tantra an komplizierte Sexstellungen denkt, liegt falsch: Mit Kamasutra oder erotischer Massage hat die spirituelle Lehre nichts zu tun. Dafür aber mit der Kunst, Körper und Geist zu einer Einheit verschmelzen zu lassen, mit sich selbst im Reinen zu sein – und sich beim Liebesspiel voll und ganz hingeben zu können. Was man zu Tantra-Yoga, Yoni-Massage und Co. wissen sollte.

Was ist Tantra?

Das Wort Tantra stammt aus der altindischen Sprache Sanskrit und bedeutet so viel wie „Gewebe“, „Zusammenhang“ oder auch „Erweiterung des Bewusstseins“. Mit komplizierten Sexpraktiken hat die fernöstliche Lehre, deren Wurzeln im Hinduismus und Buddhismus liegen, also nichts zu tun. Stattdessen definiert sich Tantra als die Kunst, Energien der materiellen Welt sinnvoll zu kanalisieren, um ein befriedigendes Leben zu führen. Dazu wird auch sexuelle Energie genutzt, die im Tantra als besonders stark gilt.

Die spirituelle Lehre beinhaltet verschiedene Techniken, Rituale und Meditationen – zum Beispiel Massagen, Atem- oder Yoga-Übungen. Sie helfen dem Menschen dabei, seine verborgenen Potenziale freizusetzen und die im Körper schlummernde Urkraft Kundalini zu wecken. Die sieben Energiezentren, Chakren genannt, befinden sich entlang der Wirbelsäule und sind durch eine Art Energiekanal, den Sushumna-Nadi, miteinander verbunden. Durch ihn soll sich die Kundalini-Energie verteilen und für körperliches sowie spirituelles Wohlbefinden sorgen.

Dieses Ziel lässt sich allerdings nicht durch die bloße Anwendung bestimmter Techniken, beispielsweise einer Tantra-Massage, erreichen. Geist und Körper, Denken und Handeln bilden im Tantra eine Einheit. Wer eine tantrische Handlung ausführt, tut dies immer aufgrund einer inneren Einstellung – und umgekehrt.

Indische Liebeskunst: Welche Rolle Sex im Tantra spielt

Anders als im „Weißen Tantra“, das keine sexuellen Handlungen beinhaltet, werden im „Roten Tantra“ sexuelle Praktiken als Energiequelle genutzt. Die Farbe Rot bezieht sich auf den „Roten Tropfen“, das Menstruationsblut, das mit weiblicher Energie assoziiert wird. Sexualität wird im Tantra als göttliche Kraft angesehen. Vereinigungsrituale, sexuelle Massage- und Yoga-Techniken sollen die Menschen ihrer göttlichen Natur näherbringen und ihr Bewusstsein erweitern.

Um einen schnellen Orgasmus oder möglichst ausgefallene Stellungen geht es bei Tantra-Sex also nicht. Im Gegenteil: Die körperliche Vereinigung sollte möglichst lange dauern. Der Mann bewegt sich dabei weniger als die Frau, um seinen Samenerguss so lange wie möglich hinauszuzögern oder gar nicht zu ejakulieren. Bei sexuellen Ritualen ist der Weg das Ziel – ein Orgasmus ist bei Tantra-Massage und Co. also kein Muss, sondern ein willkommener Nebeneffekt.

Die beliebtesten Stellungen des Kamasutra

Junges Paar im Bett mit Kamasutra Stellung | © iStock | dima_sidelnikov

Maithuna: So funktioniert das Tantra-Ritual

Das Maithuna- oder Mithuna-Ritual soll die sexuelle Energie zum Fließen bringen und wird von zwei Partnern gemeinsam durchgeführt. Die rituelle Praktik läuft in fünf Schritten ab: Wein (Madya), Fleisch (Mamsa), Fisch (Matysa), geröstetes Getreide (Mudra) und sexuelle Vereinigung (Maithuna). Das heißt: Die Partner nehmen gemeinsam ein zeremonielles Menü mit fest vorgegebener Speisenabfolge ein und haben im Anschluss daran Geschlechtsverkehr. Bei jeder Stufe des Maithuna-Rituals berührt das Paar sich gegenseitig und nimmt die eigenen Empfindungen sowie die des Partners bewusst wahr.

Tantra-Massage: Berührung mit allen Sinnen erleben

Wer heute von Tantra spricht, meint in der Regel Neo-Tantra. Diese Weiterentwicklung der spirituellen Lehre umfasst Meditation, Esoterik, Yoga und räumt der Sexualität eine Schlüsselrolle auf dem Weg zur Einheit von Körper, Geist und Seele ein. Im Mittelpunkt tantrischer Massagen stehen deshalb die Geschlechtsteile: Yoni (Vagina) und Lingam (Penis). In professionellen Studios oder bei Seminaren dauert eine Tantra-Massage mindestens eineinhalb Stunden – je länger die Sitzung dauert, desto tiefer ist die Entspannung.

Aber: Mit erotischen Ganzkörpermassagen wie der japanischen Nuru-Massage hat Tantra nichts zu tun. Viel wichtiger als das eigene Lustempfinden oder ein intensiver Orgasmus ist es, den Körper bewusst und mit allen Sinnen wahrzunehmen. Die oder der Massierte können dabei Glücksmomente erleben, die einer Ekstase gleichkommen. Auf den Ablauf der Tantra-Massage hat der passive Part zwar keinen Einfluss, kann aber jederzeit äußern, wo und wie er nicht angefasst werden möchte.

Die zwei bekanntesten Tantra-Massagen und wie sie ablaufen:

Yoni-Massage

Im Mittelpunkt der Intim-Massage steht die Yoni („Lotusblüte“), das Geschlechtsorgan der Frau. Durch kreisende und klopfende Berührungen soll die Vagina entspannt und die Energie des Beckens freigesetzt werden. Der Masseur bearbeitet bei der Tantra-Technik die äußerlichen Bereiche der weiblichen Intimzone, zum Beispiel den Venushügel, und tastet sich von dort auch sanft bis in die Scheide und zum G-Punkt vor.

Lingam-Massage

Bei der Tantra-Massage steht der Lingam („Stab des Lebens“), also der Intimbereich des Mannes, im Fokus. Anders als bei einer Sex-Massage haben die Berührungen an Penis, Hoden, Anus und Prostata aber nicht das Ziel, dass „er“ möglichst schnell kommt. Der Massierte soll stattdessen seinen Körper neu erfahren, seine Sexualität besser verstehen und lernen, den Höhepunkt bei der sexuellen Vereinigung länger hinauszuzögern.

So funktioniert Tantra-Yoga

Im Tantra nehmen Yoga-Praktiken eine besondere Rolle ein. Mit einer Kombination aus Asanas (Yoga-Haltungen sowie Atem-, Dehn- und Entspannungsübungen), Mantras (Wiederholungen heiliger Wörter oder Sätze), Mudras (symbolische Handgesten) oder Bandhas (Energielenkungsübungen) soll die Kundalini-Kraft erweckt werden. Tantra-Yoga ist eine besonders anregende und intensive Form des Yoga, die zu mehr Stärke, Klarheit und Glückseligkeit im täglichen Leben verhelfen soll. Sex muss dabei keine Rolle spielen, sexuelle Tantra-Rituale wie Maithuna können die Yoga-Praktiken aber ergänzen.

Die besten Yoga-Übungen für Einsteiger und Fortgeschrittene

Yoga Übung Dreieck | © iStock | da-kuk

Alleine oder mit Partner: 3 Tantra-Yoga-Übungen für zu Hause

Tantra-Yoga ohne Partner praktizieren? Ja, das funktioniert. In erster Linie sollen die Übungen nämlich dazu beitragen, den eigenen Körper bewusst wahrzunehmen und für Sinnlichkeit, Lebendigkeit und andere tiefe Emotionen zu öffnen. Bei Partnerübungen geht es darum, dem oder der Liebsten emotional näherzukommen, die sexuelle Lust zu steigern – und gemeinsam einen intensiveren Höhepunkt zu erleben. Wer mag, kann dabei nackt sein, muss es aber nicht.

Hier sind drei Tantra-Yoga-Techniken, die ihr zu Hause ausprobieren könnt:

1. Tantrische Atmung:

Auf den Rücken legen und die Augen schließen. Die Arme liegen neben dem Körper, die Schultern entspannt am Boden, der Unterkiefer ist locker. Die Fußsohlen zusammenbringen und die Knie nach rechts und links fallen lassen. Beine und Becken sind entspannt. In dieser Position locker in Richtung der Intimzone ein- und ausatmen. Nach dem Ausatmen folgt eine kurze Pause.

2. Yab-Yum-Sitz:

Der Partner sitzt mit geöffneten, leicht abgewinkelten Beinen auf einem Meditationskissen oder einer Yogamatte. Nun setzt ihr euch so auf sie/ihn, dass eure Oberkörper und damit die Chakren auf der Körpervorderseite direkt aneinander liegen. Den Partner innig umarmen, die Beine um ihn schlingen und gemeinsam ein- und ausatmen.

3. Becken-Begegnung:

Beide Partner knien sich gegenüber voneinander auf eine Yogamatte. Jeweils ein Bein – einer das rechte, der andere das linke – im 90-Grad-Winkel aufstellen. Die Becken sowie Oberschenkel und Knie auf der Seite des aufgestellten Beins berühren sich dabei. Den Partner mit geschlossenen Augen umarmen und ruhig durch die Nase ein- und ausatmen.

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