Herzschmerz, das Wort beschreibt eigentlich sehr gut, was passiert wenn Schluss ist. Kein Appetit und keine Chance sich auf irgendetwas zu konzentrieren, morgens will man nicht aufstehen und abends kann man nicht einschlafen, wenn das Herz bricht. Man fühlt sich wie betäubt und im nächsten Augenblick kommen die Tränen wie aus dem Nichts. Wir müssen wohl nicht weiter ins Detail gehen. Jede*r, der*die schon mal Liebeskummer am eigenen Leib erlebt hat, weiß, wovon wir sprechen. Egal ob eine jahrelange Beziehung zu Bruch geht oder eine Liebe einfach nicht erwidert wird, das Gefühl schmerzt, emotional und körperlich. Warum ist das so? Was passiert bei Liebeskummer? Und vor allem: wie kann man Liebeskummer überwinden?
Dr. med. Eva Kalbheim ist Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie und Chefärztin der Libermenta Klinik Schloss Gracht in Erftstadt. Sie beschäftigt sich seit über 30 Jahren mit den Auswirkungen die Stress, Anspannung und Krisen auf die Gesundheit haben. Sie hat uns erklärt, wie man mit Liebeskummer umgehen kann, was wirklich gegen Liebeskummer hilft und wie man Liebeskummer schließlich los wird.
Warum schmerzt Liebeskummer so unbeschreiblich? Was passiert im Körper, wenn wir Liebeskummer haben? Wir haben bei Expertin Dr. med. Eva Kalbheim nachgefragt. Sie erklärt uns warum sich Liebeskummer so unvergleichbar anfühlt.
„Liebeskummer ist ein körperlich und seelisch belastender Zustand als Reaktion auf unerfüllte oder verlorene Liebe. Liebeskummer führt zu Stress und Mangel an Glückshormonen - das Ende einer Beziehung oder die Unerreichbarkeit eines angehimmelten Menschen machen daher traurig, verzweifelt, wütend oder depressiv”, erklärt Dr. Kalbheim.
Das Gefühlschaos zwischen Trauer, Wut und Hilflosigkeit ist also zunächst normal. Diese Emotionen beeinflussen den Alltag so stark, dass sie schließlich Auswirkungen auf den Körper haben. „Auch der Körper leidet” sagt Dr. Kalbheim, denn „Schwäche, sozialer Rückzug, Appetitlosigkeit, Schlafstörungen, Konzentrationsprobleme oder Infektanfälligkeit sind die Folge.” Die Symptome sind in jedem Fall und vor allem in jedem Alter ernstzunehmen. Liebeskummer ist weit mehr als ein Phase, durch welche Teenager gehen. „Im schlimmsten Fall entsteht das ‘Broken Heart Syndrome’.” warnt Dr. Kalbheim. „Patien*innen haben rasende Schmerzen im Brustkorb, ausgelöst durch ein stressbedingtes Pumpversagen des Herzens. Insbesondere ältere Patien*innen, deren langjährige*r Partner*in stirbt oder sie verlässt, sind davon betroffen. Dieses Syndrom ist bedrohlich und kann tödlich enden, wenn es nicht behandelt wird.”
Bevor Liebeskummer tatsächlich körperlich gefährlich wird, muss dringend Hilfe her. In vielen Fällen kann man sich aber auch selbst helfen und Liebeskummer überwinden. Ziel ist es dann, aus Kummer wieder Liebe zu machen, nämlich vor allem Selbstliebe.
Dr. Kalbheim kennt die Antwort: „Im Durchschnitt dauert Liebeskummer nach einer zerbrochenen Beziehung rund ein Jahr, wobei der*die Verlassene zumeist länger damit zu kämpfen hat als der*die Partner*in, welche*r die Beziehung beendet hat.” Natürlich gibt es Fälle, die wesentlich schneller wieder aus dem Tief herauskommen. Und selbst diejenigen, die überdurchschnittlich lange mit Liebeskummer leben, bemerken nach einer gewissen Zeit die Veränderung, die sich Tag für Tag, Stück für Stück eingeschlichen hat. „Irgendwann heilen die seelischen Wunden und es geht wieder bergauf: Die Lebensfreude kehrt zurück, die Leistungsfähigkeit nimmt zu, Körper und Seele sind wieder normal belastbar. Wenn der*die Betroffene spürt, dass nicht mehr jeder Gedanke an den*die Ex-Partner*in negative Gefühle heraufbeschwört, sondern dass auch die guten Zeiten vor der Trennung wieder ins Gedächtnis rücken, ist der Liebeskummer fast überwunden. Ein weiterer Hinweis auf das Ende des Liebeskummers ist, dem*der Ex-Partner*in wieder begegnen zu können, ohne Herzrasen, ohnmächtige Wut oder schreckliche Trauer zu verspüren.”
Dies alles geschieht nicht über Nacht, sondern verändert sich schleichend, sodass man es anfangs gar nicht bemerken mag, bis man eines Tages feststellt, dass die Trauer abgeebbt und die Wut erloschen ist und Platz gemacht hat für Leichtigkeit und Lebensfreude. Grundsätzlich spricht man von fünf typischen Phasen von Liebeskummer.
Verdrängen: Während dieser Phase wollen viele nicht über ihren Schmerz sprechen. So wird er scheinbar weniger real. Man kann und will selbst noch nicht daran glauben.
Fühlen: Jetzt geht die Achterbahnfahrt los. Sind die Gefühle erst wahrhaftig geworden, scheinen sie überwältigend zu sein. Zwischen Trauer, Verzweiflung, Wut und Selbstzweifeln erlebt man ein wildes Auf und Ab.
Eifersucht & Trauer: Nun mischen sich Trauer und Eifersucht. Die Frage, was der*die andere wohl gerade macht, ob es jemand Neues gibt, kommt immer wieder hoch. Gleichzeitig sinkt man immer weiter in tiefe Trauer, fühlt sich einsam und zurückgelassen.
Wut & Zorn: Eigentlich ist Wut ein sehr gutes Zeichen. Denn wer zu lange in der Phase der Trauer feststeckt, kommt nur noch schwer wieder heraus. Macht sich Zorn auf den*die Ex breit, hat man den Step geschafft. Doch dann braucht diese Energie ein Ventil. Wut in sich hineinzufressen ist gefährlich und ungesund.
Akzeptieren und neu orientieren: Die Lebenslust kehrt zurück. Erinnerungen an die gescheiterte Liebe kommen nur noch selten hoch und haben Platz gemacht. Jetzt wird es Zeit neue Erinnerungen zu schaffen, neues zu erleben und zu kennenzulernen. Das muss keinesfalls ein*e neu*e Partner*in sein, sondern eine neue Einrichtung im Schlafzimmer, eine neue Frisur, eine Reise oder ein neues Hobby geben auch neue Impulse.
„Dauert der Liebeskummer länger an, ist es sinnvoll, gute Freund*innen, Verwandte oder auch professionelle Stellen wie die Telefonseelsorge oder eine*n Psychotherapeut*in um Hilfe zu bitten”, empfiehlt Dr. Kalbheim. „Im Gespräch lassen sich die eigenen Gefühle und Gedanken oft besser sortieren als im stillen Kämmerlein.” Wenn die immer wiederkehrenden Gedanken sich immer weiter im Kreis drehen und der Herzschmerz scheinbar endlos erscheint, hilft es aktiv zu werden, sagt Dr. Kalbheim:
„Selbstfürsorgliche Maßnahmen wie Pausen und Auszeiten, Sport, Meditation, Wellness, eine Reise oder ein neues Hobby können dabei helfen, die zerbrochene Beziehung zu verarbeiten und auf neue Gedanken zu kommen.”
Selbstliebe kann die offenen Wunden tatsächlich schneller heilen lassen. Was für die eine Person ein Wellnesswochenende sein mag, das ist für die andere ein Spinning Kurs. Entscheidend ist, sich selbst viel Aufmerksamkeit zu schenken, in sich hinein zu hören und das zu tun, was einem selbst wirklich gut tut. Und wie sieht es neben Selbstliebe mit einer neuen Liebe aus? „Manche Menschen stürzen sich sofort in die nächste Beziehung, stellen aber vielleicht nach einer Weile fest, dass sie mit dem unverarbeiteten Ballast der vorherigen Partnerschaft ihre neue Liebe belasten”, gibt Dr. Kalbheim zu bedenken. Die Wunden, die eine alte Liebe aufgerissen hat, muss man dann doch eher selbst heilen als jemand neuem mit der Erwartung entgegenzutreten, Leere zu füllen und Herzen zu reparieren. Aber wie? Wie heilt man Liebeskummer selbst?
Dr. Kalbheim hat es schon angedeutet, Selbstliebe lautet das Zauberwort. Das mag, gerade wenn man in einem Strudel aus Verzweiflung, Hilflosigkeit, Trauer und Wut feststeckt, schwierig klingen. Denn wie soll man sich selbst lieben, wenn man sich gerade nicht liebenswert fühlt. Doch gerade dann hilft konsequente, bedingungslose Selbstfürsorge. Und nein, sich ganz auf sich selbst zu konzentrieren ist nicht egoistisch, sondern heilend.
Für alle gebrochenen Herzen hat Dr. Kalbheim ihre top Tipps gegen Liebeskummer zusammengefasst:
Nehmt eure Gefühle ernst und verleiht ihnen Ausdruck. Wer traurig ist, der darf weinen. Wer enttäuscht oder wütend ist, der darf schreien oder ein Kissen boxen.
Gönnt euch Zeit! Zwingt euch nicht, so schnell wie möglich wieder „normal“ zu sein. Das baut Druck und Stress auf.
Reden hilft. Sprecht mit vertrauten Freund*innen und Verwandten über eure Gefühle. Auch wenn ihr euch öfter wiederholt. Geteiltes Leid ist nämlich wirklich halbes Leid!
Tut euch selbst gut. Achtet auf eure Bedürfnisse und behandeln euch selbst gut. Denkt an ausreichend Schlaf, an genügend Bewegung und frische Luft und eine gesunde Ernährung. Keine gute Idee sind Alkohol und Drogen.
Was macht glücklich? Hört in euch hinein und seid achtsam: Was lenkt euch ab und sorgt für Erleichterung, fröhliche Gedanken und Glücksgefühle? Und nun tut genau davon mehr.
Um Liebeskummer bereits vorzubeugen, kann es beim Dating helfen auf diese Red Flags zu achten:
Für alle die noch etwas Inspiration gebrauchen können haben wir hier die ein paar Ideen gesammelt, für mehr Selbstliebe und weniger Liebeskummer:
Zum Beispiel Tagebuchschreiben, oder seine Gedanken in Gedichte, Lieder, kurze Texte oder ein Brief. Die Textform kann jede*r frei wählen. Ziel ist es, seinen Gefühlen Ausdruck zu verleihen und seinen Gedanken Luft zu machen. Das ewige Gedankenkarussell hört dann auch endlich auf, sich immer im Kreis zu drehen, wenn man sich sortiert hat. Man kann über die alte Beziehung schrieben, man kann sogar einen Brief an den*die Ex verfassen, den man niemals abschickt, aber noch besser schreibt man über sich selbst, wie man sich fühlt, was man an der Beziehung mochte und was nicht, was man an sich selbst mag und welche Ziele man hat.
Zeit kreativ zu werden. Und ja, jeder kann kreativ sein. Denn das Gefühlschaos muss ein Ventil finden. Wut, Trauer, Verzweiflung, Enttäuschung und Angst lassen sich in Kunst verwandeln. Dabei kann jede*r sein persönliches Tool wählen, der*die eine mag sich mit Farben und Pinsel Luft machen, währen der andere zu einem Instrument oder einer Kamera greift. Etwas bauen, töpfern, schreinern oder nähen lenkt die Konzentration auf das kreative Schaffen, beruhigt und sorgt für Erfolgserlebnisse. Viele kreative Köpfe haben während ihrer schlimmsten Trennungen ihre erfolgreichsten Bücher geschrieben oder großartigsten Lieder komponiert.
Man darf in seinen Eisbecher heulen und die Tränen mit Gummibärchen trocknen. Zucker-Eskapaden sind erlaubt. Doch auf Dauer werden sie den Zustand nicht bessern. Appetitlosigkeit, schlechte Ernährung und Schlafmangel machen den körperlichen Zustand während Liebeskummer deutlich schlimmer. Sich ausgewogen zu ernähren, ist jetzt besonders wichtig. Außerdem hat es auch etwas sehr Selbstfürsorgliches für sich selbst liebevoll und gesund zu kochen. Kochen kann kreativ und entspannend sein. Zudem bekommt der Körper so alle Nährstoffe, die er während der emotional belastenden Zeit braucht.
Sport schafft Ablenkung, während man sich auf Bewegungsabläufe konzentriert hören die Gedanken auf zu wandern, und schüttet Glückshormone aus. Der Kreislauf kommt in Schwung, man hat das Gefühl sich selbst etwas gutes zu tun und darf danach zurecht stolz auf sich sein. Wann und wie man sich bewegt spielt dabei keine Rolle, während der*die eine Gewichte stemmt und der*die andere joggt, kann der*die nächste einen Tanzkurs besuchen, zum Yoga gehen, Hula Hoop endlich ausprobieren, sich eine*n Tennistrainer*in nehmen oder etwas ganz Neues lernen.
Den Balkon neu gestalten, das Wohnzimmer streichen, den Schrank ausmisten und außerdem endlich alle Pflanzen umtopfen, wollte man sowieso schon ewig erledigen und nun ist der perfekte Zeitpunkt dafür gekommen. Tätigkeiten rund um das eigene Heim bringen nicht nur Ablenkung und Beschäftigung, sondern schaffen auch eine ganz neue Wohlfühl-Umgebung. Auf sich selbst achten, bedeutet auch sich selbst ein schönes Zuhause schaffen. Gerade wenn in der Wohnung noch einige Erinnerungsstücke sind, die an die gescheiterte Liebe erinnern, dann wird es Zeit auszumisten, aufzuräumen und umzugestalten.
Apropos ausmisten: Kein Grund jedes Erinnerungsstück an die verlorene Liebe wegzuwerfen. Es reicht die Sachen zunächst in einer Kiste in den Keller zu verbannen. Vielleicht kann man sie schon bald wieder auspacken und ansehen, ohne dabei in Wut und Trauer zu verfallen.
Neben den Wohnprojekten kann neues Lernen auch ein tolles Projekt sein, das neue Lebensgeister weckt. Oder besser gesagt, nach den Wohnprojekten. Gerade am Anfang, wenn man noch sehr tief im Liebeskummer steckt fällt es schwer sich zu konzentrieren. Eine Sprache oder eine Instrument zu lernen, kann jetzt überfordern. Etwas später hingegen ist es umso befreiender, sich ein Herzensprojekt zu suchen, sich ein Ziel zu setzen und es zu erreichen.
Gerade am Anfang der besonders schmerzvollen Liebeskummer-Phase hilft Aktivität, Anreize und Ablenkung. Trotzdem muss auch Zeit für Pausen sein. Pausen sind anfangs schwierig, genau wie das Lernen. Ähnlich verhält es sich mit Meditation, Yoga und Atemtechniken. Wer sich kaum auf seinen Job fokussieren kann, dem wird eine Meditation schwerfallen. Wer allerdings schon einige Steps hinter sich hat und sich bereit fühlt, der kann mit Entspannungstechniken, Atemübungen, ruhigem Yoga und angeleiteten Meditationen zur Ruhe kommen und die „Was wäre wenn”-Gedankenspiele ausknipsen.
Einfach mal raus kommen, wegfahren oder ganz verreisen, gibt den Gedanken Raum, schafft neue Impulse und Abstand zu dem was war. Ein Tapetenwechsel ist sehr hilfreich um sich mehr auf das Jetzt und die Zukunft zu konzentrieren als gedanklich in der Vergangenheit festzuhängen. Natürlich sprechen wir nicht von weglaufen. Man wird wieder in sein Leben und vielleicht sogar in die ehemals gemeinsame Wohnung zurückkehren. Trotzdem tut ein Ortswechsel gut. Sei es ein Wochenendetrip, alleine oder mit Freund*innen, ein Besuch bei der Familie, ein Tagesausflug oder eine Reise, die man schon immer unternehmen wollte.
Tun worauf man am meisten Lust hat. Das bedeutet, man muss bewusst in sich hineinhören und zuhören. Man braucht Mut zu Egoismus. Gerade wenn man vielleicht aus einer langjährigen Beziehung kommt in der man immer alles zu zweit entschieden hat. Und man sich schon länger nicht mehr die Frage gestellt hat: Was will ich eigentlich? Wie wäre es mit einem Besuch bei einer alten Freundin, die man schon so lange nicht gesehen hat? Mit einer Massage? Einem Wochenende in den Bergen? Oder einem Abend im Lieblingsrestaurant? Von Kleinigkeiten, wie einer selbstgemachten Gesichtsmaske, bis hin zu großen Gesten wie einem Wellnesswochenende, gilt: Richtig Gönnen.